Die weltweiten Immobilienmärkte profitieren aktuell noch vom Schwung des ersten Halbjahres 2022, lassen aber einen spürbaren Rückgang an Dynamik erkennen. Mit einem Gesamttransaktionsvolumen1 von 814 Milliarden US-Dollar nach neun Monaten wurde der Vorjahreswert von 757 Milliarden US-Dollar zwar übertroffen, jedoch geht JLL davon aus, dass der Rekordwert für das Gesamtjahr von 1,26 Billionen US-Dollar aus dem Jahr 2021 nicht erreicht wird. Dafür spricht der aktuelle Trend: Im dritten Quartal schrumpfte das Investmentvolumen um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal.
Hela Hinrichs, Senior Director EMEA Research & Strategy JLL, analysiert: „Geopolitische Spannungen, schwache Wirtschaftsaussichten, eine hohe Inflation und steigende Zinsen beeinflussen das Investorenvertrauen. Dadurch ist das globale Investitionsvolumen das vierte Quartal in Folge zurückgegangen. Diese Unsicherheiten und vorsichtiges Agieren der Marktakteure verlangsamen Entscheidungsprozesse, was bereits in vielen Bieterverfahren deutlich sichtbar ist.“
US-Investmentmarkt zeigt sich von Zinserhöhungen beeindruckt
Weltweit gibt Amerika weiterhin den Ton an, zeigte sich nach einem starken Jahresauftakt allerdings zuletzt von den steigenden Zinsen beeindruckt und büßte signifikant an Dynamik ein: Insgesamt 493 Milliarden US-Dollar verbuchte die Region bis zum Ende des dritten Quartals, wovon nur 143 Milliarden US-Dollar auf den Zeitraum von Juli bis September entfielen – 23 Prozent weniger als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Entscheidend ist hier die Dominanz das volatilen US-Marktes, der im dritten Quartal mit 135 Milliarden US-Dollar die Region eindeutig prägte.
Auf die Region EMEA mit Europa, Afrika und dem Mittleren Osten entfiel im bisherigen Jahresverlauf ein Gesamttransaktionsvolumen von 223 Milliarden US-Dollar. Das ist marginal weniger als im Vorjahr, als 228 Milliarden US-Dollar zu Buche standen. Doch auch hier verliert der Markt nach gutem Start an Dynamik und hat im dritten Quartal gut ein Viertel des Transaktionsvolumens im Vergleich zum Vorjahr eingebüßt. „Erstmals verzeichnen wir, dass das Volumen in der EMEA-Region in drei aufeinanderfolgenden Quartalen zurückging. Ausschlaggebend sind dafür vor allem die zögerlichen Investmentmärkte in Deutschland und Großbritannien“, sagt Hela Hinrichs.
In der Region Asien-Pazifik wird der Immobilienmarkt unterdessen von Währungseffekten und Chinas Null-Covid-Politik ausgebremst. Die Region kam im bisherigen Jahresverlauf auf insgesamt 99 Milliarden US-Dollar nach 125 Milliarden US-Dollar im Vorjahr. So meldete China deutlich weniger Transaktionen als im Vorjahr, was zu einem Rückgang in Höhe von 48 Prozent führte. In Japan wirkten sich derweil die Abwertung des Yen und die schwächeren Aktivitäten in allen Sektoren auf das Transaktionsvolumen aus, das im Jahresvergleich um 59 Prozent zurückging. Deutlich stabiler präsentierten sich unterdessen Australien (plus 15 Prozent im Jahresvergleich) und Südkorea (minus acht Prozent), was jeweils auf eine konstante Dynamik im Bürosektor zurückzuführen ist.
Investitionen über Ländergrenzen fließen vor allem nach Europa
Das Transaktionsvolumen, das über Ländergrenzen hinweg investiert wurde, ist im Jahresvergleich von 194 Milliarden US-Dollar auf knapp 183 Milliarden US-Dollar zurückgegangen. Wie bereits im Vorjahr entfielen auch im bisherigen Jahresverlauf die meisten grenzüberschreitenden Investitionen auf die EMEA-Region. Mehr als 102 Milliarden US-Dollar wurden außerhalb des eigenen Marktes investiert. Zwar waren es im Vorjahreszeitraum mit 108 Milliarden US-Dollar noch etwas mehr gewesen. Dennoch behauptete die Region ihre Spitzenposition erneut deutlich: Amerika folgt mit 56 Milliarden US-Dollar (Q1-Q3 2021: 61 Milliarden US-Dollar) mit deutlichem Abstand. Der Raum Asien/Pazifik belegt mit konstant knapp 25 Milliarden US-Dollar den dritten Platz. „Auf Deutschland entfallen 2022 bislang 15 Milliarden US-Dollar nach knapp 19 Milliarden US-Dollar im Vorjahr. Damals hatte ein sehr dynamisches Schlussquartal für einen finalen Wert von 31 Milliarden US-Dollar gesorgt. Davon ist der Markt in diesem Jahr allerdings weit entfernt“, macht Hela Hinrichs deutlich.
Wohnen behauptet sich als Spitzenreiter unter den Assetklassen
Nach dem Führungswechsel in der Rangliste der Assetklassen hat der Bereich Living seine Spitzenposition vor dem Bürosektor auch im laufenden Jahr verteidigt. Mit rund 265 Milliarden US-Dollar entfiel in den ersten drei Quartalen des Jahres 2022 gut ein Drittel des weltweiten Transaktionsvolumens auf diese Nutzungsart und damit sogar nochmals neun Prozent mehr als im Vorjahr. „In den USA und Europa schwächt sich das Mietwachstum ab, liegt aber immer noch deutlich über den historischen Normen, und es wird erwartet, dass die steigenden Hürden für den Erwerb von Wohneigentum die Mietdauer der Nutzer verlängern werden“, erwartet Hela Hinrichs.
Die Stimmung auf den Büromärkten ist derweil sehr uneinheitlich. Mit 199 Milliarden US-Dollar liegt der Investmentumsatz in dieser Assetklasse drei Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Nachfrage der Investoren nach erstklassigen Bürogebäuden und auch Life-Science-Gebäuden in den Top-Märkten und Teilmärkten hält an. „Allerdings sehen wir auch, dass die Definition erstklassiger Büros neu definiert wird und ESG-Kriterien herausragend an Bedeutung gewinnen, um die künftige Mieternachfrage widerzuspiegeln“ sagt Hela Hinrichs. Die Nachfrage nach Objekten der Risikoklassen Value-add und opportunistisch nimmt hingegen signifikant ab.
Den dritten Rang weltweit sichert sich die Assetklasse Industrie und Logistik mit einem Transaktionsvolumen von 156 Milliarden US-Dollar. Das entspricht einem Rückgang um sieben Prozent, der auf die höhere Inflation und das damit verbundene selektivere Verhalten der Investoren zurückzuführen ist. Diese konzentrieren sich auf Kernstandorte mit hoher Mieternachfrage. „Das Interesse an Objekten mit kürzerer Nutzungsdauer und mit mehreren Mietern ist relativ hoch, während Objekte mit langer Nutzungsdauer den größten Einfluss auf die Preisanpassung haben“, so Hela Hinrichs.
Wieder deutlich stärker zeigte sich der Einzelhandelssektor. Die Investments summierten sich in den ersten drei Quartalen auf 110 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 34 Prozent im Jahresvergleich. Dazu beigetragen hat der im bisherigen Jahresverlauf in vielen Ländern konstant gebliebene Konsum und ebenso, dass Konsumenten mit dem Abklingen der Pandemie in vielen Regionen wieder mobiler sind.
Mit den wieder anziehenden Reisemöglichkeiten legen auch Investments in Hotelimmobilien um knapp ein Drittel auf 34 Milliarden US-Dollar zu. Auch Objekte in städtischen Toplagen stehen wieder auf der Einkaufsliste der Investoren.
Globaler Bürovermietungsmarkt auf Erholungskurs
Die globalen Bürovermietungsmärkte haben sich nach dem Comeback im vergangenen Jahr auch in diesem Jahr robust gezeigt. Vor allem durch ein sehr dynamisches erstes Halbjahr wurden weltweit insgesamt gut 26,4 Millionen m² Bürofläche angemietet – 21 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie auf dem Investmentmarkt zeigt sich aber auch hier ein leichter Rückgang der Dynamik. Nach jeweils rund neun Millionen m² in den ersten beiden Quartalen verbuchte das dritte Quartal noch 8,4 Millionen m². Dabei lagen die Vermietungsumsätze in allen Regionen unter dem Wert des vorangehenden Quartals.
Mit großem Abstand dynamischste Region war der amerikanische Kontinent mit knapp 13 Millionen m² vor EMEA mit 7,6 Millionen m² und der Region Asien/Pazifik mit 5,8 Millionen m². Auch in jedem einzelnen Quartal war diese Reihenfolge gesetzt. „Die Entscheidungsprozesse ziehen sich in vielen Märkten in die Länge, während sich die Expansionsbestrebungen in den USA verlangsamen“, erklärt Hela Hinrichs.
Büroleerstand bleibt in EMEA auf konstantem Niveau
Die weltweite Leerstandsquote ist um zehn Basispunkte auf 14,5 Prozent gestiegen. Dabei unterscheiden sich die drei Weltregionen deutlich: Während die Quote in EMEA konstant bei 7,2 Prozent liegt, ging sie in der Region Asien/Pazifik leicht von 14,4 Prozent auf 14,1 Prozent zurück. Einen erneuten Anstieg verzeichnete derweil Amerika, wo die durchschnittliche Leerstandsquote von 18,2 Prozent auf 19,1 Prozent anzog.
Entsprechend verbuchen US-Metropolen auch die höchsten Leerstandsquoten im internationalen Vergleich: San Francisco setzt mit 24,1 Prozent die Höchstmarke vor Dallas (23 Prozent), Atlanta (21 Prozent) und der US-Hauptstadt Washington D.C. (20,7 Prozent). Das australische Sydney liegt mit 14,7 Prozent fast auf dem asiatisch-pazifischen Schnitt, während die Metropolen Peking (9,7 Prozent), Singapur (5,7 Prozent), Tokio (4,2 Prozent) und Seoul (2,5 Prozent) deutlich darunter liegen.
Auch die europäischen Städte präsentieren sich sehr heterogen. Hier verbucht das schwedische Stockholm mit 10,8 Prozent den höchsten Wert vor London (8,2 Prozent), Paris (7,5 Prozent) und Berlin mit vier Prozent.
Die Fertigstellung von Neubauprojekten erreichte 2022 den höchsten Stand seit 2001 (18,5 Millionen m²) und wird im nächsten Jahr voraussichtlich die Rekordmarke auf 18,8 Millionen m² hochschrauben. Begünstigt wird diese Entwicklung durch eine Angebotszunahme im asiatisch-pazifischen Raum. „Die Sorge um die künftige Nachfrage, die gestiegenen Baukosten und die veränderten Konditionen für die Baufinanzierung dürfte jedoch dazu führen, dass sich der Baubeginn für zahlreiche neue Projekte deutlich verschiebt oder diese ganz aufgegeben werden“, prognostiziert Hela Hinrichs.
Die höchsten Bruttobüromieten werden nach dem von JLL herausgegebenen Report „Premium Office Rent Tracker“ in Hongkong Central und New York Midtown gezahlt, wo monatlich bis zu 232 US-Dollar beziehungsweise 197 US-Dollar pro Quadratmeter im Monat inklusive Nebenkosten anfallen. Londons West End (163 US-Dollar), Pekings Finance Street (149 US-Dollar) und das Silicon Valley (133 US-Dollar) folgen auf den Plätzen drei bis fünf.
„Die Nachfrage nach Top-Büroflächen ist gerade in Zeiten, in denen Nutzer ihren Bürobedarf überprüfen, ungebrochen. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz spielen inzwischen eine dominante Rolle bei der Flächenauswahl. Weltweit sind die Mieten in den vergangenen zwölf Monaten um 4,8 Prozent gestiegen“, analysiert Hela Hinrichs. Die Region EMEA konnte in diesem Zeitraum sogar ein Mietwachstum von 10,6 Prozent verzeichnen. EMEA ist unter den Top 25 allerdings nur durch London und Paris vertreten, während Chinas Millionenstädte und US-Metropolen das Segment dominieren. Die deutschen Städte Berlin (66 US-Dollar), München (66 US-Dollar) und Frankfurt (63 US-Dollar) spielen in diesem Vergleich inklusive Nebenkosten und Währungseffekten nur eine Nebenrolle.
Quelle: JLL