Verglichen mit den vergangenen Jahren ist eine Immobilien-Marktprognose für 2023 im jetzigen Zeitpunkt durchaus kompliziert. Zu divergierend sind die marktbeeinflussenden Faktoren.
Einerseits geht die Inflation zurück. Aber dies gilt nicht für die sog. Kerninflation, die im Dezember 2022 mit 5,2 % oberhalb der Rate für Oktober und November von jeweils 5,0% lag. EZB Chefin Lagarde ließ keinen Zweifel daran, dass aus Gründen der hohen Inflation und deren Bekämpfung an der restriktiven Geldpolitik festgehalten werden soll. Im Vergleich zu den Vorjahren hohe Zinsen sind es aber, die private wie gewerbliche Investoren Abwarten lassen. Eine Adjustierung der Immobilienpreise wird erwartet. Dazu kommt eine restriktive Kreditvergabe durch die Banken. Die Eigenmittelanforderungen steigen weiter. Die Bankmargen tun ein Übriges, dass neben der Zinskomponente im Vorjahresvergleich Kredite deutlich teurer sind. Eine Anpassung der Preise sollte so nur eine Frage der Zeit sein und wird in weiten Marktkreisen erwartet. Wie weit eine solche Preisanpassung gehen wird, ist in Fachkreisen jedoch sehr umstritten. Viel spricht dafür, dass eine seriöse Vorhersage unmöglich ist.
Wohl aber ist vorhersehbar, dass das Transaktionsvolumen zumindest in den ersten Monaten diesen Jahres zurückgehen wird. Der Markt muss sich genau aus Gründen der Unsicherheiten nun finden.
Und dann?
Vieles wird von der weiteren Zinsentwicklung abhängen. In den Emerging Markets konnte man beobachten, dass die Zinsen mit dem Erreichen des Inflations-Tops ihr Hoch gefunden haben. In den USA wird ein soft landing der Konjunktur erwartet – die FED muss nicht weiter aggressiv die Zinsen erhöhen. Der Top der Zinsen gilt als bald erreicht, wie ein Blick auf die Zinsstrukturkurve belegt. Können wir das für die Eurozone auch erwarten? Das ist meines Erachtens völlig offen. Einerseits ist die lange Zeit unterschätzte Inflation auf der EZB-Agenda. Zweitrundeneffekte und eine Lohn-Preis-Spirale will man sicher verhindern. Andererseits will Südeuropa kostengünstig refinanziert bleiben. So erscheint es nicht abwegig, dass die heute von Seiten der EZB propagierte Inflations-Agenda bald wieder dem Ruf nach günstigen Zinsen weichen muss. Manches heute im Markt liegen gelassene Objekt kann dann im 2. Halbjahr 2023 wieder nachträglich als günstige Gelegenheit erscheinen.
Der Autor, Oliver Porr, ist Gesellschafter der LHI Holding, regelmäßiger Investor in Immobilien und Sachwert-Weiser der Stiftung Finanzbildung. Er gibt hier seine private Meinung wieder.