Schlechtes Zeugnis für Ökonomische Bildung in Deutschland

·         Die neue OeBiX-Studie zeigt: Zehn von 16 Bundesländern erfüllen weniger als 50 Prozent der Anforderungen eines regulären Nebenfachs Wirtschaft.

·         In Lehramtsstudiengängen, die auf sozialwissenschaftliche Integrationsfächer oder Kombinationsfächer vorbereiten sollen, ist der Anteil der Ökonomischen Bildung deutlich geringer als der anderer Bezugsdisziplinen.

·         Bei 60 Prozent aller Fortbildungen für Wirtschaftslehrkräfte fehlt der ökonomische Bezug. Finanzbildung kommt so gut wie gar nicht in den Fortbildungen vor.

·         Im Zentralabitur wird nicht überall, wo „Wirtschaft“ draufsteht, auch Wirtschaft geprüft. Relevante Themen wie finanzielle Bildung und Entrepreneurship fehlen weitestgehend.

Jugendliche wünschen sich mehr Ökonomische Bildung – und brauchen diese für eine bessere Orientierung und Vorbereitung auf das Leben. Gleichwohl verfügen junge Menschen nicht hinreichend über wirtschaftliche und finanzielle Grundkompetenzen. Das belegen etliche Studien. Es stellt sich die Frage, wie Ökonomische Bildung in der Schule verankert ist.

Die neue OeBiX-Studie zum Stand der „Ökonomischen Bildung in Deutschland“ zeigt auf, wo Lücken sind. Sie beinhaltet einen Index (OeBiX) und zeigt bundesweit und bundeslandesspezifisch, inwieweit die Anforderungen erfüllt sind, damit ökonomische Bildungsinhalte als Nebenfach zum einen an der Schule unterrichtet und zum anderen in Lehramtsstudiengängen an den Hochschulen gelehrt werden können. Sie wurde vom Institut für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg (IÖB) erstellt, wissenschaftlich aktualisiert sowie inhaltlich vertieft und durch die Flossbach von Storch Stiftung gefördert.

Erstmalig liegt ein vollständiger Überblick über die Strukturen vor, inwieweit Ökonomische Bildung in den Bundesländern und verschiedenen Schulformen institutionalisiert ist. Vier OeBiX-Studien liefern quantitative und qualitative Daten zur Ökonomischen Bildung in Schulfächern, Lehrplänen, Hochschul-Curricula der Lehrkräfteausbildung, Fortbildungsangeboten und dem rahmengebenden Zentralabitur.

Ökonomische Bildung weiterhin als Nebenfach unter den Nebenfächern

Die Anforderungen eines normalen Nebenfachs werden weiterhin deutlich verfehlt: Zehn von 16 Bundesländern erfüllen im Gesamtindex „OeBiX“ nicht einmal die Hälfte der Anforderungen, die für ein Nebenfach Wirtschaft mindestens gelten müssten. Am besten schneiden Niedersachsen, Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ab. Die drei Letztplatzierten sind Sachsen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Im Teilindex Hochschule/Lehrkräftebildung erfüllen fünf Bundesländer (BW, NI, BY, ST, SH) mehr als die Hälfte der Anforderungen – am besten schneidet dort Baden-Württemberg mit 86 Prozent ab. Die letzten drei Plätze belegen Saarland, Rheinland-Pfalz und Sachsen. Im Teilindex Schule/Unterricht sieht es etwas besser aus: Dort erfüllen immerhin sechs Bundesländer (NI, HB, BY, NRW, BW, MV) mehr als die Hälfte der Anforderungen, die drei letzten Plätze belegen Sachsen, Rheinland-Pfalz und Hamburg.

Bessere Verankerung von Ökonomischer Bildung notwendig

„Die Studienergebnisse zeigen deutlich, dass Ökonomische Bildung in Deutschland schlechter verankert ist als andere Bildungsanliegen“, sagt Prof. Dr. Dirk Loerwald, Wissenschaftlicher Leiter und Geschäftsführer des Instituts für Ökonomische Bildung an der Universität Oldenburg (IÖB). Die Studie belegt das an einer der eingängigsten Messgröße: den Unterrichtsstunden. Geht man bei einem Pflichtfach in der Sekundarstufe I von sechs Kontingentstunden (z. B. drei Schuljahre, in denen Schülerinnen und Schüler jeweils zwei Wochenstunden Wirtschaftsunterricht erhalten) aus, dann verfehlen alle Bundesländer sowohl am Gymnasium als auch an nicht-gymnasialen Schulformen das Ziel – zum Teil sehr deutlich.

Lehrkräftebildung: Immer noch das Kernproblem

Neben dem Bereich Schule haben die Forschenden den Bereich Hochschule/Lehrkräftebildung bundesweit und bundeslandspezifisch untersucht. „An der Hochschulbildung zeigt sich das eigentliche Drama um die mangelhafte Verankerung Ökonomischer Bildung“, sagt Dr. Stephan Friebel-Piechotta, Leiter „Schulpraxis und Unterrichtsforschung“ des IÖB. „Denn wenn nicht genügend Lehrkräfte eine fachwissenschaftlich und fachdidaktisch adäquate Ausbildung durchlaufen, es an fachdidaktischen Professuren und spezifischen Lehramtsstudiengängen mangelt, leidet darunter die Unterrichtsqualität.“

„Ökonomische Bildung gehört zu einer modernen Allgemeinbildung. Sie ist ein wichtiger Baustein für mehr Chancengerechtigkeit. Für die jungen Menschen und die Zukunft unserer Gesellschaft ist zentral, dass Wirtschafts- und Finanzbildung als Zukunftskompetenz im geschützten Raum Schule durch gut ausgebildete Lehrkräfte unterrichtet wird“, so Verena von Hugo, Vorständin der Flossbach von Storch Stiftung. „Die Ergebnisse der OeBiX-Studie zeigen bundeslandspezifisch, wo Optimierungspotenziale im Bereich der Ökonomischen Bildung liegen – sowohl in der Schule als auch in der Lehrkräftebildung an der Hochschule.“

Neu bestätigt: In Zentralabituraufgaben Ökonomische Bildung selten verpflichtend, wenig Umgang mit Zahlen und Statistiken

Das Zentralabitur ist eine institutionelle Rahmenvorgabe, die das Unterrichtsgeschehen in der gymnasialen Oberstufe maßgeblich beeinflusst. Mit Blick auf die Unterrichtsinhalte gibt es kaum ein wirksameres bildungspolitisches Steuerungsinstrument in der Sekundarstufe II.

In 80 Prozent der untersuchten sozialwissenschaftlichen Integrationsfächer werden im Abitur die Einheitlichen Prüfungsanforderungen der Kultusministerkonferenz (EPA) Wirtschaft nicht angewendet. Bereits 1979 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) die EPA beschlossen, um mehr Transparenz, Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit in den Prüfungsanforderungen und -verfahren in der Abiturprüfung gewährleisten zu können. Nur in Hessen und neuerdings in Hamburg liegen einem zentral geprüften Integrationsfach (Politik und Wirtschaft) die EPA-Wirtschaft zugrunde.

Insgesamt spielt das eigenständige Nebenfach Wirtschaft im Zentralabitur nur eine marginale Rolle: Lediglich in den beiden Bundesländern Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern wird im Zentralabitur das eigenständige Fach Wirtschaft geprüft, in zwei weiteren Bundesländern (HE, SL) gibt es neben einem sozialwissenschaftlichen Integrationsfach auch zentrale Abiturprüfungen für ein eigenständiges Fach Wirtschaft. Somit gibt es lediglich in vier Bundesländern zentrale Abiturprüfungen für reine Wirtschaftsfächer. Insgesamt verlangen nur 21,8 Prozent der Aufgaben den Umgang mit Zahlenmaterial und Statistiken, Textarbeit wird hingegen in 69,3 Prozent aller Aufgaben eingefordert.

„Unser Antrieb ist die Vision einer starken und demokratischen Gesellschaft, in der jeder Mensch ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben führen und vorausschauend handeln kann. Deshalb machen wir uns dafür stark, die Wirtschafts- und Finanzbildung von Schülerinnen und Schülern zu stärken“, bringt es Kurt von Storch, Stifter der Flossbach von Storch Stiftung, auf den Punkt.

Überblick über die OeBiX-Studien: www.oebix.de/index

Quelle: Institut für Ökonomische Bildung (IÖB)