Die Rahmenbedingungen für die europäische Wirtschaft haben sich im dritten Quartal 2022 verschlechtert. Die Inflation ist nochmals gestiegen, die Zinssätze und Finanzierungskosten haben sich drastisch erhöht und die Energiekrise hält unvermindert an. Der Krieg in der Ukraine setzt sich fort und mit ihm die europäischen Sanktionen gegen Russland.
Die europäischen Volkswirtschaften bemühen sich, ihre Gasspeicher aufzufüllen und den Energieverbrauch einzuschränken, indem sie Haushalten und Unternehmen ein ganzes Maßnahmenbündel zur Verfügung stellen. Gleichzeitig verteuerten sich die Gas- und Kohlepreise im Laufe des dritten Quartals erneut und trieben damit die Strompreise in die Höhe. Die Energiekosten in Europa stiegen dabei wesentlich stärker als in anderen Teilen der Welt. Erfreulicherweise haben sich die Probleme mit unterbrochenen Lieferketten etwas entspannt, die Transportkosten gingen für die Betriebe zum Teil stark zurück. Auch die internationalen Rohstoffpreise sind in vielen Fällen unter das Niveau von vor der russischen Invasion in die Ukraine gesunken, auch wenn sie nach wie vor sehr volatil sind. Dies wird dazu beitragen, den steigenden Inflationsdruck etwas zu verringern, obwohl in vielen Volkswirtschaften, auch in Europa, die Abwertung der Währung gegenüber dem US-Dollar die Importpreise in die entgegengesetzte Richtung beeinflusste und die Preise für Rohstoffe in der Landeswährung ansteigen ließ.
Die Notenbanken setzten im dritten Quartal ihre restriktiven Kurse fort und erhöhten die Zinssätze in den ost- und zentraleuropäischen Märkten. Auch die EZB und die Bank of England haben ihre Leitzinsen weiter angehoben, obwohl sie im Vergleich zu ihren kleineren Konkurrenten deutlich hinter der Entwicklung zurückblieben. Die Renditen von Staatsanleihen und andere Finanzierungskosten zogen in Erwartung weiterer Zinserhöhungen stark an, und die internationalen Marktturbulenzen, die durch einen Vertrauensverlust in die Haushaltspläne der neuen britischen Regierung ausgelöst wurden, verstärkten den Aufwärtsdruck auf die Renditen. Das Ergebnis ist eine Verschlechterung der Prognosen für das BIP-Wachstum in diesem und im kommenden Jahr.
Nicht alle Volkswirtschaften sind jedoch gleichermaßen betroffen und es gibt nach wie vor jene, die vor der Energiekrise besser geschützt sind, wie Norwegen (ein Energieexporteur), sowie jene, die weniger von der Inflation betroffen sind, wie Frankreich und die Schweiz. Zudem gibt es Länder, die besser in der Lage sind, auf eine sich verlangsamende Wirtschaftsleistung mit fiskalischen Anreizen zu reagieren, wozu Irland und die Niederlande zählen.
Europäische Bürospitzenmieten legen weiter zu
Die europäischen Spitzenmieten sind im dritten Quartal 2022 weiter gestiegen. Der europäische Büromietindex erhöhte sich im Vergleich zum Vorquartal um 2,2 Prozent und verzeichnete damit den zweitstärksten vierteljährlichen Anstieg seit 2010. Das jährliche Plus liegt mit fünf Prozent deutlich über dem Fünfjahresschnitt von 3,6 Prozent. Premiumbüros entwickelten sich hinsichtlich Auslastung und Preisgestaltung weiterhin deutlich besser als Objekte von geringerer Qualität.
„Die meisten Büromärkte befinden sich jetzt in den Wachstumsquadranten der Büro-Immobilienuhr und wir rechnen kurzfristig nicht mit einem größeren Rückgang bei den Spitzenmieten“, sagt Hela Hinrichs, Senior Director EMEA Research & Strategy. Eine Reihe von Märkten weise für das dritte Quartal sogar gegenläufige Bewegungen auf, was auf verbesserte Aussichten für das Mietwachstum hindeute. So verzeichneten beispielsweise Barcelona, Warschau und Lyon aufgrund der angespannten Marktbedingungen für Spitzenprodukte ein über den Erwartungen liegendes Wachstum.
Mietsteigerungen zum Vorquartal wurden in 18 der 23 Indexmärkte registriert, am deutlichsten in Lyon (10,3 Prozent), Rotterdam (8,2 Prozent), Brüssel (4,8 Prozent), Amsterdam (4,2 Prozent), Mailand (3,8 Prozent), Prag (3,8 Prozent), Hamburg (3,1 Prozent) und Dublin (3,1 Prozent). In allen anderen europäischen Indexmärkten blieben die Spitzenmieten stabil.
„Die starke Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Büroflächen mit hohem Ausstattungsniveau in Verbindung mit niedrigen Leerstandsquoten setzt die Spitzenmieten in den meisten Teilen Europas weiterhin unter Aufwärtsdruck. In einigen wenigen Märkten sind die Nutzer sogar bereit, mehr als die Spitzenmiete zu zahlen, um sich die besten Flächen zu sichern, insbesondere weil die Entwicklungspipeline weiter abnimmt“, erläutert Hinrichs.
Der Flächenumsatz steigt in einigen Metropolen kräftig
Trotz des erheblichen makroökonomischen Gegenwinds zeigen die europäischen Büromärkte weiterhin Stärke. Mit 2,6 Millionen m² stieg der Flächenumsatz im dritten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal um 18 Prozent. Die aktivsten Sektoren in ganz Europa waren Biowissenschaften (Life Science), Finanzen, unternehmensbezogene Dienstleistungen und insbesondere die Rechtsberatung. Der Technologiesektor hat in den meisten europäischen Städten dagegen deutliche Einbußen hinnehmen müssen. Dies ist zum Teil auf die begrenzte Start-up-Finanzierung zurückzuführen, aber auch einige der größeren Technologieunternehmen sind angesichts der zunehmenden Unsicherheit vorsichtiger geworden. In den letzten zwei Jahrzehnten dauerte es zwischen drei und fünf Quartale, bis sich makroökonomische Verschiebungen in den Umsatzzahlen niederschlugen. Daher sind die Aussichten für die nächsten zwölf Monate eher verhalten.
Auf regionaler Ebene verzeichnete Westeuropa (plus 14 Prozent im Jahresvergleich) Steigerungen beim vierteljährlichen Flächenumsatz. Deutlich kräftiger zog der Flächenumsatz in der CEE-Region mit plus 53 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal an. Auf Stadtebene verzeichneten Prag (198 Prozent), Stockholm (104 Prozent), Dublin (70 Prozent), Madrid (49 Prozent) und Mailand (44 Prozent) die stärksten Zuwächse beim Vermietungsvolumen. In Berlin (33 Prozent), Hamburg (22 Prozent) und Luxemburg (28 Prozent) fiel der Anstieg im Vergleich dazu geringer aus. Einen deutlichen Rückgang verbuchten die Büromärkte in Düsseldorf (minus 53 Prozent) und Barcelona (minus 31 Prozent).
In Europas größtem Büromarkt Paris erreichte der Flächenumsatz im dritten Quartal 460.000 m² und damit weniger als in den beiden vorangegangenen Quartalen, in denen jeweils mehr als 500.000 m² umgesetzt wurden. Der Flächenumsatz seit Jahresbeginn liegt bei fast 1,5 Millionen m² und damit knapp unter dem Zehnjahresschnitt (minus vier Prozent). Zu den Nachfragetreibern gehört nach wie vor die Einrichtung hybrider Arbeitslösungen in (oft kleineren) hochwertigen und gut ausgestatteten Büros in den bevorzugten Teilmärkten.
Der Flächenumsatz im Zentrum Londons erreichte im dritten Quartal 219.000 m² und lag damit unter den 242.000 m² des zweiten Quartals. Trotzdem stieg damit das Vermietungsvolumen im bisherigen Jahresverlauf auf fast 700.000 m², 37 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum 2021 (540.000 m²). Die Vorvermietungsaktivitäten setzten sich im dritten Quartal fort und machten 21 Prozent des gesamten vierteljährlichen Flächenumsatzes aus. Dominiert wurde der Vermietungsmarkt vom Banken- und Finanzsektor, auf den 34 Prozent des Flächenumsatzes entfiel.
Der deutsche Vermietungsmarkt hat sich im dritten Quartal gut behauptet. Der Flächenumsatz in den sieben Immobilienhochburgen summiert sich in den ersten neun Monaten dieses Jahres auf knapp 2,8 Millionen m², ein Anstieg um 29 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Die Leerstandsquote bleibt konstant
Der europäische Büroleerstand blieb mit 7,2 Prozent das fünfte Quartal in Folge stabil. Sieben der 23 Indexmärkte verzeichneten im dritten Quartal 2022 einen Anstieg des Leerstands, darunter Barcelona (um 120 Basispunkte auf 7,2 Prozent), Budapest (um 110 Basispunkte auf elf Prozent), Utrecht (um 60 Basispunkte auf 4,9 Prozent) und Amsterdam (um 30 Basispunkte auf 5,1 Prozent). In elf Märkten schrumpfte der Leerstand, darunter Rotterdam (um 150 Basispunkte auf 5,1 Prozent), Stockholm (um 80 Basispunkte auf 10,8 Prozent) und Edinburgh (um 70 Basispunkte auf 5,3 Prozent). „Der marktweite Trend zu Unternehmenskonsolidierungen und der Umzug in zentrale Spitzenflächen, insbesondere weg von den peripheren Teilmärkten, wird sich wahrscheinlich auf das Leerstandsniveau im kommenden Jahr auswirken“, prognostiziert Hinrichs.
Im dritten Quartal 2022 wurden in Europa 1,2 Millionen m² Büroflächen fertiggestellt. Das sind 15 Prozent mehr als im Vorquartal und zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Die meisten Büroflächen wurden in Paris (177.000 m²), Mailand (151.000 m²) und London (146.000 m²) fertiggestellt. Hela Hinrichs kommentiert: „Angesichts der leicht rückläufigen Entwicklung und der anhaltend starken Vorvermietung wird das Angebot an Top-Büroflächen wahrscheinlich weiterhin begrenzt bleiben. Daher rechnen wir in den kommenden zwölf Monaten mit einem weiteren Mietanstieg.“
Etwas mehr als die Hälfte der für 2022 prognostizierten Fertigstellungen fand in den ersten drei Quartalen statt, was darauf hindeutet, dass sich viele Projekte bis 2023 verzögern werden. Angesichts der ständig steigenden Bau- und Finanzierungskosten verschieben viele Projektentwickler ihre Entscheidungen über den Beginn neuer Büroprojekte, insbesondere spekulativer Neubauten. „Renovierungen werden wahrscheinlich in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen, da sie als billigere, schnellere und nachhaltigere Option angesehen werden“, meint Hinrichs.
Quelle: JLL