In Europas Metropolen herrscht eine eklatante Unterversorgung an studentischem Wohnraum. Nach einer Analyse von JLL, für die 40 Städte in 16 europäischen Ländern unter die Lupe genommen wurden, übersteigt der Bedarf an Studentenunterkünften das verfügbare Angebot deutlich. In den untersuchten Städten beträgt die durchschnittliche Versorgungsquote an spezifischem Wohnraum lediglich 14 Prozent. Das bedeutet, dass es für 86 Prozent der Studierenden keinen speziell für ihre Bedürfnisse konzipierten Wohnraum gibt und sie alternative Wohnformen wie WGs oder den freien Mietwohnungsmarkt in Anspruch nehmen müssen. Letztere wiesen jedoch in jüngster Zeit aufgrund des gestiegenen Nachfrageüberhangs höhere Eintrittsbarrieren, insbesondere für Studierende, auf.
In der Folge türmt sich ein immenser Investitionsbedarf auf: Um die aktuelle und zu erwartende Nachfrage nach studentischem Wohnraum zu bedienen, müssten europaweit rund 450 Milliarden Euro investiert werden. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 summierten sich die gewerblichen Investitionen auf 13 Milliarden Euro.
In Kontinentaleuropa ist das Investitionspotenzial besonders ausgeprägt, da hier im Vergleich zu Großbritannien in den vergangenen Jahren deutlich weniger Mittel in studentisches Wohnen geflossen sind. Die wichtigsten kontinentaleuropäischen Märkte müssten im Schnitt um das Dreizehnfache wachsen, um den britischen Durchschnitt zwischen 2018 und 2022 zu erreichen. In Deutschland lag die Investitionssumme 2022 bei 0,5 Milliarden Euro. „Für die größten Studentenmärkte wie Deutschland und Frankreich bedeutet dies, dass selbst bei einem geringeren Anstieg des Anteils privater Studentenwohnungen die Investitionsmärkte erheblich wachsen könnten. Die Perspektiven für Investoren sind hier also besonders aussichtsreich“, sagt Marius Romer, Director Residential Investment JLL Germany.
Steigende Studierendenzahlen verschärfen Nachfrageüberhang
JLL prognostiziert, dass bis zum Semesterstart 2030/31 die Studierendenanzahl in den europäischen Kernmärkten um rund zehn Prozent auf 23,5 Millionen zunehmen wird, woraus ein zusätzlicher Bedarf von zwei Millionen Betten abgeleitet wird – fast so viele wie der gesamte aktuelle Bestand von 2,2 Millionen Betten. Von diesen befinden sich etwa 40 Prozent im Besitz privater institutioneller Investoren. Die übrigen 60 Prozent gehören öffentlichen Einrichtungen oder werden subventioniert und stehen daher internationalen Studierenden sowie einheimischen Studierenden, die bestimmte sozioökonomische Kriterien nicht erfüllen, häufig nur eingeschränkt zur Verfügung.
In den fünf größten europäischen Ländern Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien ist die Anzahl der Studentenwohnungen in den zurückliegenden zehn Jahren zwar um 48.000 auf rund 700.000 gewachsen. Die Anzahl der Studierenden ist im gleichen Zeitraum allerdings um das Fünffache gestiegen.
Britische Städte weisen höchste Dynamik auf
In den 40 untersuchten Städten summiert sich das Defizit auf 1,2 Millionen Betten. Die geplanten und im Bau befindlichen Projekte können die Unterdeckung nur geringfügig abmildern. Nach deren Realisierung würde die Versorgungsquote von 14 auf 17 Prozent steigen.
Die Städte mit der höchsten Unterversorgung in Europa sind Rom, Paris und Warschau. Mit Köln (Rang sieben), Berlin (Rang acht) und Hamburg (Rang zehn) landen auch drei deutsche Metropolen in den Top Ten. Das Ranking der Städte mit der höchsten Nachfragedynamik führen gleich vier britische Städte an: London, Glasgow, Manchester und Bristol. In Großbritannien fällt allerdings auch die Versorgungsquote im Vergleich zu den kontinentaleuropäischen Ländern am höchsten aus. Die bestplatzierten deutschen Städte sind hier Berlin und München auf den Plätzen neun und zehn. Als attraktivste Standorte für Investitionen in Studentenwohnungen werden europaweit London, Paris und Barcelona identifiziert.
Fokus Deutschland: Berlin ist attraktivster Standort für Investitionen in studentisches Wohnen
Eine ergänzende, detaillierte Betrachtung des deutschen Markts, für die 68 Städte in Augenschein genommen wurden, spricht Berlin, Potsdam, München, Freiburg und Frankfurt am Main die größten Investitionspotenziale zu. Diese Märkte weisen die für eine Ausweitung von spezifischem studentischem Wohnraum notwendigen Kriterien auf: Zum einen gibt es dort erhebliche Eintrittsbarrieren am freien Mietwohnungsmarkt aufgrund niedriger Fluktuation bei hoher Nachfrage. Zum anderen übersteigt die Nachfrage das Angebot auf mittelfristige Sicht.
„Die genannten Städte weisen nicht nur die genannten notwendigen Kriterien auf, sondern können auch bei allen übrigen betrachteten Indikatoren, wie Erschwinglichkeit, Internationalität und bisheriger Versorgungsgrad, besonders gut punkten. Berlin und München stechen aufgrund des hervorragenden akademischen Angebots und der hohen internationalen Wettbewerbsfähigkeit besonders hervor“, analysiert Dr. Sören Gröbel, Director of Living Research JLL Germany. Er schlussfolgert: „Der Bedarf nach studentischem Wohnraum in deutschen Universitätsstädten ist so hoch wie lange nicht und sorgt dafür, dass studentisches Wohnen als Assetklasse auch in Deutschland wieder in den Fokus geraten ist.“
Quelle: JLL