Im zweiten Quartal des Jahres verschlechterten sich die Wirtschaftsbedingungen in Europa. Die Null-COVID-Politik in China, der anhaltende Krieg in der Ukraine, die Verschärfung der Sanktionen gegen Russland und die Nachwirkungen der Pandemieerholung sorgten weltweit für Lieferkettenstörungen. Infolgedessen stiegen die Energie- und Rohstoffpreise noch weiter in die Höhe und unterlagen stärkeren Schwankungen. Die Preise für Gas, Kohle und Strom erreichten neue Höchststände. Dies wirkte sich auf Industrie und Verbraucher aus, obwohl die private Nachfrage nach Heizmaterial mit steigenden Temperaturen nachließ.
Aufgrund der Ankündigung der USA, der EU und Großbritanniens, die Einfuhr von Erdöl aus Russland zu verbieten oder schrittweise einzustellen, stiegen auch die Ölpreise an. In ganz Europa erhöhten vor allem die steigenden Energie- und Lebensmittelpreise den inländischen Preisdruck. Gleichzeitig verstärkten höhere Transportkosten und Versorgungsengpässe den Preisanstieg weiter. Die allgemein angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt sorgte für Lohnsteigerungen und verstärkte damit den Inflationsdruck. Da die Inflation jedoch das Lohnwachstum überstieg, sanken die realen Haushaltseinkommen und die Kaufkraft. Das Vertrauen verschlechterte sich infolgedessen auf ein Niveau wie zu Zeiten des ersten Corona-Lockdowns.
Mit zunehmend angespannter Lage, wurden die Prognosen für die BIP-Wachstumsraten in diesem Jahr schrittweise nach unten korrigiert. Bedingt durch fiskalische, geldpolitische und regulatorische Lockerungen während der Pandemie, liegen sie jedoch weiterhin über den trendmäßigen Wachstumsraten.
Europäische Spitzenmieten steigen weiter
Der gewichtete nominale Büro-Mietpreisindex von JLL[1] stieg im zweiten Quartal des Jahres leicht an (+1,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal). Mit 3,6 Prozent liegt das jährliche Plus der europäischen Büromieten nun über dem Fünfjahresschnitt (3,3 Prozent). Premium-Büros entwickelten sich hinsichtlich Auslastung und Preisgestaltung weiterhin deutlich besser als Objekte von geringerer Qualität. 13 der 23 Index-Städte verzeichneten Mietzuwächse, insbesondere Dublin (+8,3 Prozent gegenüber Vorquartal), Prag (+8,3 Prozent gegenüber Vorquartal), Düsseldorf (+5,3 Prozent gegenüber Vorquartal), Rotterdam (+4,1 Prozent gegenüber Vorquartal), Berlin (+3,8 Prozent gegenüber Vorquartal), Mailand (+3,2 Prozent gegenüber Vorquartal), Frankfurt (+2,4 Prozent gegenüber Vorquartal) und Hamburg (+1,6 Prozent gegenüber Vorquartal). In allen anderen europäischen Index-Städten stiegen die Spitzenmieten um weniger als 1,5 Prozent oder blieben unverändert. „Die gestiegene Nachfrage nach Premium-Büroflächen und der geringe Leerstand werden in den meisten Teilen Europas für einen weiteren Aufwärtstrend der Spitzenmieten sorgen. In einigen Märkten sind Nutzer sogar immer häufiger bereit, mehr als die Spitzenmieten zu zahlen, um hervorragend ausgestattete Büroflächen zu mieten“, erwartet Hela Hinrichs, Senior Director EMEA Research & Strategy.
Weiterhin mäßige Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Büronachfrage
Trotz der anhaltenden Unsicherheiten aufgrund der Ukraine-Krise und steigender Bürokosten in ganz Europa, blieb die Nachfrage auf vielen europäischen Märkten weiterhin robust. Im zweiten Quartal 2022 lag der Büroflächenumsatz mit 2,6 Mio. m2 ganze 22 Prozent über dem Vorjahreswert – und damit ein Prozent über dem Fünfjahres-Quartalsdurchschnitt. Die Auswirkungen der Pandemie auf die europäischen Büromärkte lassen nach, da viele Unternehmen auf „hybride“ Arbeitsmodelle umsteigen, auch wenn einige ihren Büroflächenbedarf reduzieren.
Sowohl Westeuropa (+20 Prozent gegenüber Vorjahr) als auch Zentral- und Osteuropa (+42 Prozent gegenüber Vorjahr) verzeichneten im zweiten Quartal auf regionaler Ebene ein gesundes Wachstum beim vierteljährlichen Flächenumsatz.
Auch im zweiten Quartal zeigten sich beim Vermietungsvolumen im Städtevergleich einige der Index-Städte als Gewinner: Die stärksten Zuwächse beim Vermietungsvolumen verzeichneten Den Haag (+877 Prozent gegenüber Vorjahr), Dublin (+134 Prozent gegenüber Vorjahr), Hamburg (+95 Prozent gegenüber Vorjahr), Düsseldorf (+74 Prozent gegenüber Vorjahr) und München (+56 Prozent gegenüber Vorjahr). Luxemburg (-72 Prozent gegenüber Vorjahr), Edinburgh (-47 Prozent gegenüber Vorjahr) und Stockholm (-31 Prozent gegenüber Vorjahr) verzeichneten hingegen die stärksten Rückgänge beim Vermietungsvolumen und zählten damit zu den Verlierern im zweiten Quartal.
Im zweiten Quartal des Jahres erreichte Paris einen Büroflächenumsatz von 497.00 m2. Für den größten Büroflächenmarkt Europas bedeutet das einen Rückgang um drei Prozent gegenüber dem Vorquartal – der gleichzeitig einem Anstieg um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Damit lag das Vermietungsvolumen im zweiten Quartal trotz rückläufiger Vermietungsaktivitäten im Jahr 2020 um vier Prozent über dem Fünfjahres-Quartalsdurchschnitt. Entsprechend gut ist die Stimmung im Zentrum von Paris. „Trotz allgemeiner Marktunsicherheit, erreichte das Nachfragevolumen im Juni einen neuen Höchststand. Einzig und allein im Start-up-Sektor zeigten sich Anzeichen für eine nachlassende Nachfrage. Hier übten steigende Finanzierungskosten Druck auf die Nachfrage nach Büroflächen aus, insbesondere bei flexiblen Büroflächen“, erklärt Hela Hinrichs. Weitere Anzeichen für die Risikominderung sind Vorvermietungen, die angesichts sinkender Spekulationsinteressen zur gängigen Praxis werden.
Mit einem Vermietungsvolumen von 243.000 m2 zeigte sich auch in London im zweiten Quartal eine anhaltend hohe Nachfrage. Das entspricht einem Wachstum von 62 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Büroflächenumsatz lag damit 20 Prozent über dem Fünfjahres-Quartalsdurchschnitt.
Mit einem Anteil von 25 Prozent am gesamten Vermietungsvolumen sorgten vor allem Unternehmen aus dem Banken- und Finanzsektor in der britischen Hauptstadt für anhaltend hohe Nachfrage. Nicht zuletzt durch große Abschlüsse wie die Vorvermietung von 20.609 m2 am Paddington Square an die Investmentgesellschaft Capital International. Auch unternehmensbezogene Dienstleister kurbelten die Nachfrage im zweiten Quartal mit einem Anteil von 22 Prozent am gesamten Vermietungsvolumen an.
Die Top-5-Städte in Deutschland erreichten im zweiten Quartal des Jahres einen Anstieg um 52 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 780.000 m2 und kletterten damit auf ein Plus von 14 Prozent gegenüber dem Fünfjahres-Quartalsdurchschnitt. Alle fünf Städte verzeichneten steigende Vermietungsaktivitäten, angeführt von Hamburg (+95 Prozent gegenüber Vorjahr), Düsseldorf (+74 Prozent gegenüber Vorjahr) und München (+56 Prozent gegenüber Vorjahr), gefolgt von Berlin (+33 Prozent gegenüber Vorjahr) und Frankfurt (+14 Prozent gegenüber Vorjahr). „Bemerkenswerte Abschlüsse wie die Anmietung von 31.000 m2 durch die Haspa in Hamburg oder von 8.500 m2 durch Anwaltskanzlei Noerr in Frankfurt prägten das Vermietungsgeschehen. Trotz der angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage sorgten Unternehmen aus Technologie, Biowissenschaften sowie Rechts- und Unternehmensberatungen und auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) für Nachfrage. Auch der öffentliche Sektor hat in den letzten Monaten verstärkt für Vermietungsaktivitäten auf dem Büroflächenmarkt gesorgt“, bilanziert Hinrichs.
In den anderen europäischen Märkten zeigten sich deutliche Unterschiede bei den Vermietungsaktivitäten im zweiten Quartal. Barcelona (+ 67 Prozent gegenüber Vorjahr), Mailand (+30 Prozent gegenüber Vorjahr), Madrid (+ 27 Prozent gegenüber Vorjahr) und Amsterdam (+16 Prozent gegenüber Vorjahr) verzeichneten Zuwächse bei der Vermietungsaktivität, während Rotterdam (-26 Prozent gegenüber Vorjahr) und Lyon (-6 Prozent gegenüber Vorjahr) Rückgänge verzeichneten. In Zentral- und Osteuropa haben die Vermietungsaktivitäten vor allem in Warschau weiterhin zugenommen (+50 Prozent gegenüber Vorjahr), aber auch die tschechische Hauptstadt Prag (+48 Prozent gegenüber Vorjahr) und Budapest (+27 Prozent gegenüber Vorjahr) verzeichneten im zweiten Quartal steigende Bürovermietungen. Es ist zu erwarten, dass viele Unternehmen ihre Strategien weiterhin überdenken und viele Branchen wieder verstärkt auf dem Vermietungsmarkt aktiv werden – wenn auch in geringerem Umfang.
Stabiler Büro-Leerstand und weniger Neubauten
Auch im zweiten Quartal 2022 blieb der Leerstand von Büroflächen in Europa trotz des anhaltenden Trends zu Unternehmenskonsolidierungen stabil bei 7,2 Prozent. Es ist zu erwarten, dass der Gesamtleerstand im Laufe der zweiten Jahreshälfte leicht ansteigen wird. Nichtsdestotrotz stieg in zehn der 23 Index-Städte der Leerstand im zweiten Quartal des Jahres an. Besonders davon betroffen waren Dublin (+90 Basispunkte auf 12,1 Prozent), Stockholm (+60 Basispunkte auf 11,5 Prozent) sowie Frankfurt (+60 Basispunkte auf 8,5 Prozent) und Rotterdam (+60 Basispunkte auf 6,6 Prozent). In neun der 23 Index-Städte ging das verfügbare Angebot an Büroflächen zurück – angeführt von Utrecht (-120 Basispunkte auf 4,3 Prozent), Mailand (-50 Basispunkte auf 12,1 Prozent), Hamburg (-50 Basispunkte auf 4,5 Prozent) und Lyon (-40 Basispunkte auf 4,5 Prozent). In Brüssel, London, Paris und Prag blieb der Leerstand hingegen stabil.
Insgesamt wurden in Europa im zweiten Quartal des Jahres Büro-Neubauten mit einer Fläche von 1,1 Mio. m2 fertiggestellt. Das sind 21 Prozent weniger als noch im Vorquartal und 12 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Löwenanteil entfiel auf Projekte in Berlin (167.000 m2), Hamburg (129.000 m2), München (118.000 m2) und Paris (99.000 m2). Die Auswirkungen der Ukraine-Krise auf die Bautätigkeit bleiben auch im zweiten Quartal spürbar. An vielen Standorten, nicht nur in Zentral- und Osteuropa, herrscht weiterhin ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften. Zusätzlich sorgen steigende Energie- und Materialkosten sowie Lieferkettenengpässe für weiterhin steigende Baukosten. „Vor diesem Hintergrund sind viele Bauträger vorsichtig in ihrer Entscheidungsfindung.
Quelle: JLL, vom 15.08.2022