Interview von Edmund Pelikan, Geschäftsführer der Stiftung Finanzbildung und Wirtschaftspublizist mit Stefan Seewald, Geschäftsführer der Oberfrankenstiftung
Über 24.000 Stiftungen in Deutschland übernehmen wichtige gesellschaftliche Aufgaben zur Finanzierung des Gemeinwohls. Allein die TOP10 der Stiftungen verwalten insgesamt einen zweistelligen Milliardenbetrag, und nach Angaben des Stiftungsverbandes halten immerhin 2,9 Prozent der Stiftungen ein Vermögen von mehr als 10 Millionen Euro, was nochmals einen Betrag von mindestens sieben Milliarden entspräche. Kurz: Dies stellt eine enorme Finanzkraft für die Gesellschaft dar. Dennoch wird dieses Potential nur unzulänglich für die satzungsgemäßen Stiftungszwecke gehoben, weil nicht selten auf der Seite der Vermögensverwaltung die Professionalisierung fehlt. Irrtümer in der Einschätzung von erlaubten Anlageklassen und Ängste vor der Stiftungsaufsicht herrschen gerade bei kleineren Stiftungen vor.
Hierzu sprachen wir mit dem Geschäftsführer der Oberfrankenstiftung, Stefan Seewald, der 2022 von Portfolio Institutionell mit der Oberfrankenstiftung als „Beste Stiftung“ ausgezeichnet wurde und Ende November für die herausragende Stiftungsvermögensverwaltung mit dem Golden Trustee Award ausgezeichnet wird. Außerdem hat er zahlreiche Funktionen in anderen Stiftungen wie Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Schloss Hohenstein.
FOR – family-office-report: Herr Seewald, was ist der Stiftungszweck der Oberfrankenstiftung und wo ist der Förderschwerpunkt der letzten Jahre??
Stefan Seewald: Die Oberfrankenstiftung ist 1927 gegründet worden, mit einem Stiftungszweck, der dem damaligen Zeitgeist entsprach: Volkswohlfahrt in Oberfranken. Die Erträge sollten in irgendeiner Form der Bevölkerung zugutekommen, seien es Infrastrukturmaßnahmen, Wasseranschlüsse, Elektrifizierung. In der neueren Zeit haben wir die Satzung dem Gemeinnützigkeitsrecht und der heutigen Abgabenordnung angepasst und den Zweck näher spezifiziert. Im Prinzip sind die großen Überschriften: Kunst und Kultur, Denkmalpflege, Wissenschaft und Forschung und Soziales, ergänzt um Naturschutz und Bildungsthemen. Das Thema Kultur hat sich als stärkstes Thema etabliert, darunter die Denkmalpflege. Oberfranken ist reich an sehr hochwertigen Denkmälern. Unter anderem mit der Stadt Bamberg deren Innenstadt Weltkulturerbe ist. Im Bereich Kunst sind es Beispiele wie die Hofer Symphoniker oder Bamberger Symphoniker. Wir stellen bis zu 25 Millionen Euro pro Jahr nur Oberfranken zur Verfügung. Und davon fördern wir den Bereich Kunst und Kultur mit etwa acht bis zehn Millionen Euro. 2021 hatten wir im Bereich Wissenschaft eine einmalige Förderung allein in Höhe von fünf Millionen Euro rund um das Thema Wasserstoff.
FOR: Ohne jetzt auf einzelne Positionen oder Details einzugehen, wo ist die Stiftung investiert und wie schafft sie es, diese ansehnliche Ausschüttung von 25 Millionen pro Jahr zu erwirtschaften?
Seewald: Erlauben Sie mir, auch hier wieder kurz in die Historie zurückzugehen. Die Stiftung wurde mit Aktienkapital in Form von Anteilen an regionalen Energieversorgungsunternehmen, Netzen und Produktionsstätten mit rund sechs Millionen Reichsmark gegründet. Die Stiftung hat also in ihrer DNA das Thema Aktie eigentlich in die Wiege gelegt bekommen. Und über viele Jahrzehnte wurde diese Aktienquote tatsächlich durchgängig sogar als hundertprozentige Aktienquote im Stiftungsvermögen gehalten. Es waren Energieversorgungsunternehmen, die in den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren enorm profitiert haben. Und wir haben eigentlich erst im Jahr 2000 unter dem Eindruck der damaligen Dotcom-Krise begonnen, zu diversifizieren. Weg von diesem fokussierten Ein-Aktien-Engagement, hin zu einem sehr breit aufgestellten modernen Portfolio. Die Idee war, den laufenden Cashflow aus dem Vermögen – damals um die vier Prozent – langfristig zu sichern und zu stabilisieren. Wir hatten natürlich Anfang der Jahrtausendwende ein anderes Zinsniveau und auch andere Preise bei Immobilien, so dass wir damals eine erste neue Allokation erreichten mit einer deutlich geringeren Aktienquote im Vergleich zu heute – 35 Prozent – und einer deutlich höheren Renten- und Immobilienquote im Portfolio. Im Zeitverlauf haben wir aber festgestellt, dass es immer attraktive Zeitpunkte zum Einstieg in Aktien gibt, so dass wir heute wieder mit einer 60-prozentigen breit diversifizierten Aktienquote fahren.
FOR: Wo liegt der Schwerpunkt der Aktienauswahl und was sind die Beimischungen?
Seewald: Der Schwerpunkt ist auf Ausschüttungsstärke ausgerichtet, deswegen ist es eher ein dividendenorientiertes Portfolio. Die Beimischungen sind dann eigentlich unsere verbleibenden Anlagequoten. Wir fahren mit einer strategischen Immobilienquote von 15 Prozent- die aktuell eher untergewichtet ist. Wir haben die gute Situation an den Immobilienmärkten genutzt, um Positionen frühzeitig zu verkaufen. Hinzu kommt eine Quote an festverzinslichen Papieren – um die 15 Prozent – mit Titeln aus Nischenmärkten. Das sind z.B. nachrangige Anleihen, das sind Corporate Bonds, das sind Unternehmensanleihen und Positionen aus den Schwellenländern – überall dort wo wir gute Kupons gefunden haben. Klassische Staatsanleihen, Pfandbriefe oder ähnliches haben wir seit vielen, vielen Jahren nicht mehr im Portfolio, weil einfach aus unserer Sicht das Chance-Risiko hier nicht mehr zusammengepasst hat. Die Grundphilosophie der Oberfrankenstiftung ist eher antizyklisch in allen Anlageklassen unterwegs zu sein. Bei aktuell zurückkommenden Kursen verstärken wir eher noch unsere Aktienpositionen, wir haben den nachhaltigen Glauben an die Aktie als Anlageform. Das wichtigste Argument für Aktienanlagen in einer Stiftung ist der unendliche Anlagehorizont. Im Grunde kann ich wenig falsch machen, solange das Stiftungsportfolio breit diversifiziert ist und wirklich viele Themen abdeckt. Und mit Aktien kann ich alles abdecken. Ich kann zum Beispiel das Thema regenerative Energien als großen Trend aktuell auch über Aktienkapital stemmen und muss nicht in illiquide Themen investieren. Man kann kleinteilig diversifizieren und auch die Vermögensverwaltung hoch liquide steuern. Insofern ist bei uns die Erkenntnis gereift, die Aktienquote hochzuhalten und sogar zu stärken. Wir haben in unseren Anlagerichtlinien vor dem Hintergrund das Thema Volatilität nicht als Risikofaktor definiert, sondern mit dem langen Zeitraum eher als Chance. Wichtig ist und bleibt, dass wir kein Kapital verlieren. Und wenn wir in Qualitätsthemen investieren, ist die Aktie der Anleihe auf dem langen Zeitraum bei Rendite und Werterhalt überlegen.
FOR: Lassen Sie mich noch mal einhaken, Herr Seewald. Sie schildern so lebendig und wirkungsvoll Aktienanlagen als Baustein für ein Portfolio. Viele Stiftungen sehen es aber als Teufelszeug und als No-Go im Portfolio. Oft wird eben als Grund die Stiftungsaufsicht und das Thema Vermögenserhalt genannt. Wie diskutieren Sie mit der Stiftungsaufsicht darüber, dass die Anlageklasse(n) für Sie so eine Selbstverständlichkeit sind?
Seewald: Wir haben in Oberfranken eine sehr gute Stiftungsaufsicht, mit der wir als Stiftung in einem offenen und sehr transparenten Dialog stehen. Die Damen und Herren wissen, was wir tun. Die kennen auch unsere Geschichte von Anfang an und wissen, dass wir unsere Vermögensverwaltung sauber dokumentieren und die Strategie durchhalten.
Man muss deutlich hervorheben, dass es de facto nirgendwo schriftlich niedergelegt ist, dass eine Stiftung keine Aktien haben dürfte. Aber da gibt es viele Mythen aus der Vergangenheit, so zum Beispiel, dass eine Stiftung nur mündelsicher anlegen darf. Das ist so nicht richtig mit Ausnahme, dass es in der Satzung steht – denn die Satzung einer Stiftung ist heilig. Alles andere ist die Entscheidung des Stiftungsgremiums. Diese Entscheider müssen hinter der Strategie stehen und überzeugt sein, dass diese schlüssig ist. Und ich als Ausführender muss die Anlagerrichtlinien einhalten, dokumentieren und sehr transparent sein. Damit kann ich mit jeder Stiftungsaufsicht ganz offen reden und diese auch überzeugen.
FOR: Die Oberfrankenstiftung gehört zu den ganz großen Stiftungen in Deutschland. Können auch kleinere Stiftungen mit einem Vermögen von 100.000 Euro oder einer Million Euro einen solchen Portfolioansatz realisieren?
Seewald: Also aus meiner Sicht ja. Die Frage kommt tatsächlich oft. Und natürlich ist die Mathematik für alle gleich. Bei uns ist eben eine Schwankung von zehn Prozent ein zweistelliger Millionenbetrag, und bei 100.000 Euro Stiftungsvermögen schwankt das Vermögen dann um 10.000 Euro. Mit den heutigen Vermögensverwaltungsangeboten und Stiftungsfonds kann ich auch mit kleinerem Volumen eine breite Allokation aufbauen. Der einzige Unterschied ist tatsächlich, dass die Vehikel, also in was wir investieren, sich unterscheiden. Wir können aufgrund der Größe tatsächlich eigene Fonds aufbauen. Eine kleinere Stiftung kann aber aus einem Portfolio von vielen auf Stiftungen spezialisierte Fonds, in die man teilweise ab 5.000 € investieren kann auch diversifizieren. Aber auch auf Aktien-, Renten- und Immobilienfonds kann man mit kleinen Losgrößen zurückgreifen. Ich kann da jedem nur empfehlen, wirklich mit verschiedenen Bankinstituten und Vermögensverwaltern zu diskutieren und sich einen Überblick zu verschaffen. Wichtig ist darauf zu achten, was kostet die Stiftung dies und die Preise vergleichen. Das kann ich auch als kleine Stiftung beachten. Aber nochmals: im Prinzip kann mit jeglicher Vermögensgröße eine Stiftung sich überlegen, wie das Vermögen gestreut sein soll?
FOR: Welche Irrtümer würden Sie gerne in Bezug auf Stiftungsvermögensverwaltung ausgeräumt wissen wollen?
Seewald: Ich glaube, dass der größte Irrtum ist, dass Stiftungen nicht in Aktien investieren dürften und das mündelsicher angelegt werden müsste. Aber das ist auch selten der Fall, wie ich eben schon ausführte. Manchmal interpretiert man es auch nur in die Satzungen rein. Und das ist, glaube ich, der größte Irrtum. Unsere ganze Wirtschaft basiert eigentlich darauf, dass wir Kapitalgesellschaften haben, die Erträge erwirtschaften, die Steuern zahlen. Warum soll ich mich da nicht beteiligen können? Im Gegenteil: Wir haben in Deutschland ja eher das Problem, dass wir an unserem wirklich erfolgreichen Vermögensstock viel zu wenig selber investiert sind. Es sind überwiegend ausländische Investoren, die im großen Stil dort unterwegs sind. Und da würde ich mir wünschen, dass gerade Stiftungen, die ja diese Möglichkeit haben, den unendlichen Anlagehorizont auch nutzen und dann am Produktivkapital auch investiert sind.
FOR: Wenn wir jetzt zum Abschluss den Blick nach vorne wagen. Wir leben ja in einer sehr anspruchsvollen Zeit, monetär und politisch gesehen. Wie könnten Sie sich vorstellen, dass Ihr Portfolio in fünf oder zehn Jahren aussieht?
Seewald: Auch wir haben keine Glaskugel für die Zukunft. Was ich sehr sicher sagen kann: Die Oberfrankenstiftung wird nach wie vor bei der Ausschüttung stark sein, und wir werden nach wie vor eine ansehnliche oder sehr hohe Aktienquote haben. Ich bin davon überzeugt, dass das marktwirtschaftliche System das erfolgreichste Wirtschaftssystem ist und daran partizipieren wir. Bei anderen Themen wird es spannend. Ich glaube, wir werden die Zeiten von Null-Inflation nicht mehr sehen. Ich hoffe, dass wir bis in zehn Jahren eine Energiewende geschafft haben und eigentlich rückblickend sagen, es war eine anstrengende, aber lösungsorientierte Zeit im Jahr 2022. Denn es war richtig, dass Thema damals massiv anzugehen. Ich glaube weiter, dass wir die heutigen demografischen Herausforderungen in zehn Jahren noch stärker spüren werden. Sprich wir werden in vielen Bereichen einen Mangel an Fachkräften sowohl im Handwerk als auch in den akademischen Bereichen haben. Dies führt dazu, dass das Thema Bezahlung, Lohn, Gehalt teurer wird für Unternehmen, dass da ein gewisser Inflationsdruck dadurch entsteht. Die Volkswirtschaft sehe ich irgendwo bei zweieinhalb bis drei Prozent mittelfristiger Inflation, die aber eine Marktwirtschaft auch verkraften kann.
FOR: Herr Seewald, danke für das Gespräch und die Einblicke in Ihre Arbeit. Und ich freue mich, Sie beim Dialog der Geldwert-Weisen auf Schloss Hohenstein in Kürze begrüßen zu dürfen.