Europäische Einzelhandelsimmobilien mit einem Investmentvolumen von rund 44,2 Mrd. € in den vergangenen 12 Monaten weiterhin auf Erholungskurs

Europäische Einzelhandelsimmobilien befinden sich weiterhin im Aufwind und verzeichneten in den vergangenen 12 Monaten ein Investmentvolumen von insgesamt rund 44,2 Mrd. €. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Retail-Sektor gemessen am Umsatzanstieg mit einem deutlichen Plus von rund 20 % sogar die nachfragestarken Assetklassen Büro (+10 %) und Logistik (+17 %) hinter sich lässt. Bezogen auf die unterschiedlichen Objektarten belaufen sich die Investitionen in europäische Fachmärkte (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien) auf 13,3 Mrd. € und verzeichnen damit einen leichten Rückgang von 4,5 % gegenüber dem Vorjahr. Dennoch steuerte die Fachmarktsparte mit 43 % den Löwenanteil des Retail-Investmentvolumens bei. Das ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate.

Mit einem Transaktionsvolumen in Höhe von 10,4 Mrd. € war insbesondere im High-Street-Segment (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien) eine besonders dynamische Entwicklung zu beobachten: So konnten sowohl die Vorjahresbilanz (+74 %) als auch die Resultate der Jahre 2019 (+3 %) und 2020 (+5 %) übertroffen werden. Der positive Trend ist insbesondere auf einige Großabschlüsse zurückzuführen, die das Gesamtvolumen in die Höhe getrieben haben. Gegenüber dem Vorjahr profitierten Einkaufszentren (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen und Spanien) von einer vergleichsweise stärkeren Investorennachfrage und verbuchten einen Anstieg des Investitionsvolumens um 157 %. Das Gesamtergebnis von 7,1 Mrd. € ist das beste seit 2018.

„Die aktuelle wirtschaftliche Gesamtgemengelage könnte zu einer Verlangsamung der Investitionsdynamik in Europa führen, was sich nicht zuletzt in gestoppten oder zurückgesetzten Vermarktungsprozessen bei zahlreichen Objekten wie zum Beispiel auch bei den Einkaufszentren O’Parinor in Paris und Islazul in Madrid widerspiegelt. Die Zurückhaltung vieler Investoren ist hierbei insbesondere auf die erschwerten Finanzierungsbedingungen im Zuge steigender Zinsen zurückzuführen. Aufgrund des erhöhten Liquiditätsbedarfs einiger Marktteilnehmer im Zusammenspiel mit sich ergebenden günstigen Investitionsgelegenheiten könnten sich 2023 insbesondere für eigenkapitalstarke Investoren in einigen sich erholenden und nach wie vor etablierten Segmenten, wie etwa Haupteinkaufsstraßen und Shoppingcentern, attraktive Marktbedingungen eröffnen”, erläutert Patrick Delcol, Head of Retail Europe bei BNP Paribas Real Estate.

Erste Anzeichen für einen Anstieg der Retail-Spitzenrenditen in Europa

Nachdem die Dekompression im Büro- und Logistik-Segment schon im ersten Halbjahr eingesetzt hatte, war im dritten Quartal erstmals auch bei den Retail-Spitzenrenditen, die in den vergangenen Jahren bereits stagniert haben, Aufwärtstendenzen zu beobachten. Ein Trend, der voraussichtlich noch bis Ende 2023 anhalten könnte. Dieser Anstieg ist weniger deutlich als in anderen Assetklassen (Büro und Logistik), da seit 2020 bereits eine pandemiebedingte Anpassung erfolgt ist. Das High-Street-Segment verzeichnet trotz eines Aufwärtstrends in mehreren Ländern weiterhin die niedrigste Spitzenrendite im Assetklassen-Vergleich. Dies ist insbesondere auf Transaktionen im Luxussegment zurückzuführen, die zwar weiterhin Druck auf die Spitzenrendite ausüben, die aktuelle Marktsituation im High-Street-Segment jedoch nicht umfänglich widerspiegeln.

Die Spitzenrenditen für Fachmärkte sind in ganz Europa nach wie vor äußerst attraktiv für Investoren. Im Shoppingcenter-Segment haben die Spitzenrenditen für Einkaufszentren dagegen bereits im Verlauf der Corona-Krise 2020 und 2021 schrittweise angezogen und sind im ersten Halbjahr 2022 zunächst nicht weiter gestiegen. Im dritten Quartal 2022 konnte jedoch ein erneuter Anstieg beobachtet werden, was zukünftig im Shoppingcenter-Sektor allerdings zunehmend auch opportunistisch agierende Investoren auf den Plan rufen könnte.

Vermietungsmarkt: positive Signale durch Neueröffnungen und die Erholung der Tourismussparte, jedoch rückläufige Einzelhandelsumsätze durch konjunkturelle Entwicklung im Jahr 2023 zu erwarten

Der internationale Tourismus erlebte 2022 eine äußerst positive Entwicklung, wobei Europa eine besonders deutliche Erholung verzeichnete. Von Januar bis Juli erreichten die Touristenzahlen in den europäischen Ländern 74 % des Niveaus von 2019. Dies ist auf der einen Seite auf eine hohe Tourismusdynamik innerhalb Europas, auf der anderen aber auch auf Touristen aus den USA zurückzuführen, die unter anderem vom starken Dollar profitierten. In Europa war die positive Entwicklung in den südlichen Ländern der Mittelmeerregion am deutlichsten spürbar (-6 % gegenüber Juli 2019). In den wichtigsten Einkaufsmeilen mehrerer Städte hat die Passantenfrequenz bereits das Vorkrisenniveau erreicht oder dieses sogar übertroffen (+21 % auf der Avenue des Champs-Elysées in Paris; durchschnittlich +30 % in Rom und Mailand im September). Lediglich in Großbritannien ist das Niveau noch deutlich unter den Werten vor dem Ausbruch der Corona-Krise.

Mehrere Einzelhändler verfolgten 2022 einen aktiven Expansionskurs, insbesondere im Discount- sowie im mittel- bis hochpreisigen Segment (Mode, Beauty, Home). Lebensmitteldiscounter wie Aldi und Lidl und Händler mit einem noch breiteren Non-Food-Sortiment wie zum Beispiel Action haben in diesem Jahr Filialen in mehreren europäischen Ländern eröffnet. Doch auch im Premium-Segment kam es zu Neueröffnungen: Lacoste in Berlin, Scotch&Soda in Kopenhagen und London, The Kooples und Sandro auf der Avenue des Champs-Elysées in Paris, Aesop in London und Madrid sowie Kave Home in Frankreich, Italien, Kroatien, den Niederlanden, Spanien und Slowenien bilden hierbei nur einige prominente Beispiele. Auch die Attraktivität von gut funktionierenden Einkaufszentren für Kunden und Retailer ist weiterhin als hoch zu bewerten, wie die Eröffnungen von Jott in Barcelona, Genf, Lissabon und Toulouse sowie von Lacoste in London zeigen.

„Trotz steigender Passantenfrequenzen und neuer Ladeneröffnungen könnte sich der Einzelhandelsumsatz im Jahr 2023 rückläufig entwickeln. Dies ist insbesondere auf den Rückgang der Kaufkraft und des Vertrauens der privaten Haushalte zurückzuführen, die ihren Fokus zunehmend auf unverzichtbare Ausgaben und weniger auf spontane und nicht unbedingt erforderliche Anschaffungen legen werden. Während also für das Gesamtjahr 2022 ein positives Umsatzwachstum für Europa prognostiziert wird (+0,4 %), ist für 2023 ein leichter Rückgang (-0,7 %) zu erwarten. Diese Prognosen stehen im Zeichen der aktuellen wirtschaftlichen Gesamtgemengelage und sind das Ergebnis eines Aufholeffekts in bestimmten Ländern, in denen das Umsatzwachstum im Jahr 2021 teilweise das BIP-Wachstum übertraf”, sagt Patrick Delcol.

Marktdurchdringung des Onlinehandels: Der Onlineumsatz wächst weiter, Wachstumsraten nehmen jedoch mit der Marktreife ab

Die nord- und westeuropäischen Länder verzeichnen höhere Pro-Kopf-Ausgaben im Onlinehandel (in Großbritannien ca. 2.500 €/Jahr, in Portugal lediglich ca. 300 €), weisen aber mit zunehmender Reife niedrigere Wachstumsraten auf. Die jüngsten Zahlen von Amazon bestätigen diesen Trend (zusammen mit der schwächelnden Konjunktur): Zwar steigen die Umsätze weiterhin, das Wachstum und die Prognosen sind jedoch weniger dynamisch. Die süd- und mitteleuropäischen Länder weisen aktuell ein höheres Wachstumspotenzial auf, weshalb sie höhere tatsächliche und prognostizierte Wachstumsraten aufweisen. „Eine Neugewichtung ihrer stationär und online erzielten Umsätze ist für Einzelhändler unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört die wechselseitige Integration der beiden Vertriebskanäle durch die Schaffung effizienter Click & Collect-Angebote sowie innovativer und reibungsloser Einkaufserlebnisse. Der stationäre Handel ist ebenfalls unverzichtbar. Dabei versuchen viele Einzelhändler, ihre Ladenflächen durch Resizing-Strategien an die Kundenerwartungen anzupassen; diese unterscheiden sich jedoch von Retailer zu Retailer und von Konzept zu Konzept. Modehändler reduzieren die Zahl ihrer Filialen, indem sie kleinere und weniger rentable Geschäfte zugunsten größerer Standorte schließen, in denen innovative Konzepte leichter umgesetzt werden können. Im Kontrast dazu versuchen traditionell eher zentrumsferne Branchen, wie zum Beispiel Baumärkte, die Filialgröße so zu reduzieren, dass sie in den Innenstädten Fuß fassen können. Hier sind sie näher an den Kunden, die Schnelligkeit und Bequemlichkeit bevorzugen”, so Patrick Delcol abschließend.

Quelle: BNP Paribas Real Estate