Die anhaltende Erhöhung der Zinsen durch die Zentralbanken entfaltet ihre Wirkung: Die Inflation sinkt – und sie schwächt zugleich die Nachfrage. Während der Rückgang der Inflation ein gutes Signal ist, verstärken sich aktuell vermehrt die Effekte einer nachlassenden konjunkturellen Dynamik. Und das umso mehr, weil ein Teil der Zinserhöhungen noch gar nicht vollumfänglich seine Wirkung im Wirtschaftskreislauf entfaltet hat.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Marktstimmung am Bürovermietungsmarkt im zweiten Quartal abgeschwächt. Insgesamt erzielt der Markt einen Halbjahresumsatz von 1,16 Millionen m², was im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in der Summe der sieben Immobilienhochburgen einem Rückgang von 40 Prozent entspricht.
Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets, sagt: „Einer der aktuellen Hauptrisikofaktoren ist der Stress im Bankensektor. Dieser greift vermehrt auf die Realwirtschaft über und restriktivere Kreditbedingungen belasten die Wirtschaftstätigkeit voraussichtlich über einen längeren Zeitraum hinweg. Das führt zu einer weiteren Spreizung des Marktes: Während der Wettbewerb um Qualität hoch ist, schwächt sich die Nachfrage in B-Lagen ab. Zugleich werden die Gesuche kleinteiliger und die Unternehmen gehen bei der Anmietung nicht mehr jeden Preis mit.“
Trübe Stimmung in der Gesamtwirtschaft wirkt sich auf Büronachfrage aus
Es bleibt somit ein riskantes Abwägen von Inflationsbekämpfung und sich abschwächender Konjunktur. Spiegelbild dessen ist die im Juni erneut schlechter ausgefallene Stimmung bei den Unternehmen. Der ifo-Index ist erneut gesunken und hat damit das düstere Bild nach dem Rückgang im Mai noch verstärkt. Die Unterkomponente „Erwartungen“ brach den zweiten Monat in Folge deutlich ein. „Insgesamt wird die deutsche Wirtschaft auf das Jahr gerechnet kaum wachsen. Die Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der Zinsen, die maßgeblich die Unternehmensfinanzierung beeinflussen, zeigt auch ihre Wirkung auf den Immobilienmärkten und lässt Nutzer von Büroimmobilien vorsichtiger agieren“, analysiert Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.
Im Gegenzug dazu präsentiert sich der Arbeitsmarkt weiterhin extrem robust. Für die Notenbanken ist die Stärke der Arbeitsmärkte allerdings insofern Grund zur Sorge, weil sich daraus eine nachhaltig wirkende Lohn-Preis-Spirale entwickeln kann. Für Deutschland wurden bereits einige Tarifrunden mit kräftigen Lohnsteigerungen vereinbart, weitere Entscheidungsrunden stehen noch aus. Für die Unternehmen bedeuten die Abschlüsse signifikant höhere Lohnkosten, und die Frage wird sein, ob sie diese Kosten an Kunden weiterreichen werden. „Da die Gewinnmargen nach wie vor relativ hoch sind, hegt die Europäische Zentralbank die Erwartung, dass die Unternehmen auf Kosten der Gewinne Preissteigerungen nicht weiterreichen. Dies wird die Diskussionen über weitere Zinsschritte bestimmen“, sagt Scheunemann.
Büroflächenumsatz sinkt deutlich – Fokus auf Qualität bleibt bestehen
In jeder der sieben Bürohochburgen war die Nachfrage rückläufig, das Minus reicht dabei von 15 Prozent in Frankfurt bis zu 70 Prozent in Stuttgart. Die Entscheidungsprozesse für einen potenziellen Umzug dauern nach wie vor sehr lange, vor allem für mittlere und große Transaktionen. Die Unternehmen sondieren sehr sorgfältig den Markt und mögliche Optionen, dabei bleibt der Trend zur Anmietung qualitativ höherwertiger Flächen bestehen. „Besser, aber weniger ist aktuell die Devise. Denn neben dem erhöhten Qualitätsanspruch verringert sich in gleicher Weise die Größe der benötigten Bürofläche. Energieeffizienz, Nachhaltigkeit und Wohlfühlcharakter für die Beschäftigten sind die wesentlichen Treiber der Nachfrage. Diese Aspekte müssen an einem neuen Standort erfüllt sein“, erklärt Stephan Leimbach, Head of Office Leasing JLL Germany.
Hinzu kommt der nicht abflauende Bedarf an neuen Mitarbeitern. Ein hervorragend ausgestattetes Büro als kommunikativer Mittelpunkt der Unternehmenskultur ist dabei ein Baustein im Werben um neue Talente. Aktuell sind rund 820.000 freie Stellen für Bürobeschäftigte in Deutschland unbesetzt, ein zusätzlicher Bedarf von bis zu 20 Millionen m². „Ein theoretischer Wert zwar, weil nachverdichtet wird, nicht alle Arbeitsplätze eins zu eins im Büro entstehen und vorhandene Leerstände gefüllt werden. Dennoch zeigt die Kalkulation, dass ein signifikanter Anteil benötigter Fläche übrigbleiben wird“, erklärt Helge Scheunemann. „Hier baut sich ein gewisser Druck bei den Unternehmen auf, auch deshalb bleiben wir recht optimistisch für das Gesamtjahr und rechnen weiterhin mit einem Umsatzvolumen von rund 2,8 Millionen m², welches dann um 20 Prozent unter dem Volumen aus 2022 liegen würde.“
Leerstand und Untermietflächen stabil – Neubauvolumen rückläufig
Trotz rückläufigem Umsatzvolumen ist der Leerstand in den sieben Metropolen nicht weiter angestiegen. Aktuell stehen suchenden Unternehmen rund 5,17 Millionen m² kurzfristig zur Verfügung, was einem Plus gegenüber dem Vorjahr von knapp 15 Prozent und einer Leerstandsquote von 5,3 Prozent entspricht. „Auch der Krisenindikator Untermietflächen verharrt zum Ende des zweiten Quartals bei 834.000 m². Das sind aktuell 16 Prozent des Gesamtleerstands“, sagt Leimbach.
Die bei der Nachfrage zu beobachtende Ausdifferenzierung des Marktes zeigt sich auch bei den Leerstandsflächen. Weit mehr als die Hälfte dieses Volumens entfällt auf nicht mehr zeitgemäße oder nur durchschnittlich ausgestattete Büros. „Vor diesem Hintergrund und in Verbindung mit dem aktuell niedrigen Fertigstellungsvolumen sehen wir in Teilbereichen Engpässe und Knappheiten. Neue Flächen im Sinne von echten Neubauten, aber mehr noch von im Bestand aufgewerteten Flächen sind weiterhin notwendig“, warnt Leimbach.
Doch gerade in der Baubranche halte sich, laut Scheunemann, eine massiv verschlechterte Stimmung. Neben den weiterhin hohen, wenn auch etwas nachlassenden Kosten dringt immer mehr der Aspekt der herausfordernden Projektfinanzierung und der sinkenden Auftragslage durch. Immerhin: Bei den Baukosten scheint der Höhepunkt der Steigerung erreicht zu sein, dennoch verharren sie auf einem extrem hohen Niveau. Die Konsequenzen daraus sind gestoppte Projekte. Das gilt auch für den gewerblichen Bereich, zu sehen an der Projektpipeline, die derzeit jedes Quartal nach unten korrigiert wird. In Summe wurden im ersten Halbjahr 2023 knapp 660.000 m² Bürofläche fertiggestellt, ein Rückgang von 31 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022.
Im laufenden Jahr werden voraussichtlich 1,5 Millionen m² Bürofläche fertiggestellt
„Für das zweite Halbjahr 2023 rechnen wir aktuell mit einem Fertigstellungsvolumen von 825.000 m², sodass für das Gesamtjahr dann knapp 1,5 Millionen m² in der Fertigstellungsstatistik stehen werden. Dies läge dann um rund 300.000 m² unter dem Niveau aus 2022“, erläutert Scheunemann. Deutlich nach oben gehen dürfte es 2024: Für das kommende Jahr befinden sich bereits knapp zwei Millionen m² im Bau, ein Teil davon sind Überhänge aus diesem Jahr, deren Fertigstellung sich entsprechend verzögert hat. Dieser Anstieg gegenüber 2023 muss aber insofern relativiert werden, weil mit mehr als 800.000 m² allein über 40 Prozent auf Berlin entfallen. Und mehr als die Hälfte dieser Flächen sind bereits vermietet oder für Eigennutzer vorgesehen.
„Sollte sich der Nachfragetrend für top ausgestattete Flächen in Verbindung mit steigenden Mieten weiter fortsetzen, wovon wir ausgehen, wird Vorvermietungsquote für projektierte Flächen zunehmen. Und umgekehrt gehen ursprünglich spekulativ geplante Projekte nur dann in den Bau, sofern Vorvermietungen getätigt werden“, sagt Scheunemann.
Spitzenmieten steigen weiter – Mietanreize nehmen leicht zu
Der sich stabilisierende oder nur leicht ansteigende Leerstand erzeugt auf der Angebotsseite keinen Druck auf die Mietpreise. Im Gegenteil: Die aktuell rückläufigen Fertigstellungszahlen lassen die Spitzenmieten weiter steigen – zum Teil sogar deutlich. Der JLL-Spitzenmietpreisindex zeigt zum Ende des zweiten Quartals einen Wert von 268,9. Er liegt damit um knapp 14 Prozent über dem Vorjahreswert.
„In allen Städten beobachten wir im Jahresvergleich Mietpreissteigerungen, diese liegen zwischen fünf Prozent in Berlin und fast 27 Prozent in Düsseldorf. Und auch in den vergangenen Monaten konnten immer mal wieder „Ausnahme-Abschlüsse“ jenseits der ausgewiesenen Spitzenmiete abgeschlossen werden“, analysiert Scheunemann. Die 50-Euro-Marke wurde dabei in Berlin, Frankfurt und München überschritten. Gleichwohl gilt es, die von Vermietern gewährten Mietzuschüsse in die Betrachtung einzubeziehen. Für diese sieht JLL einen leichten Anstieg oder erwartet einen solchen im weiteren Jahresverlauf. Bei einem Fünfjahresmietvertrag rechnet Scheunemann damit, dass sich die Mieteranreize – umgerechnet in mietfreie Zeiten – zwischen fünf und 15 Prozent einpendeln werden.
Quelle: JLL