Seit Umsetzung einer EU-Richtlinie im Jahr 2021 in das deutsche StaRUG (das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz) haben Unternehmen die Möglichkeit, auf einen gesetzlichen Rahmen zur vorinsolvenzlichen Sanierung zuzugreifen. Von dieser Möglichkeit wurde in den vergangenen Jahren immer häufiger Gebrauch gemacht. Im Jahr 2023 gab es doppelt so viele Verfahren wie im Jahr zuvor.
Das soll Anlass sein, ein wenig auf das StaRUG und seine Regelungen zu blicken und die wichtigsten Fragen mit Bezug zu Vermögensverwaltern und Banken zu beantworten:
Warum entscheiden sich Unternehmen für ein StaRUG-Sanierungsverfahren?
Einer der Gründe für die Zunahme der StaRUG-Verfahren dürfte die Möglichkeit der Rettung eines Unternehmens vor drohender Insolvenz durch Mehrheitsbeschluss der betroffenen Gläubiger sein.
Überblick über den Ablauf eines StaRUG-Verfahrens
Nach dem Verfahrensrecht ist der Weg einer Sanierung nach StaRUG nur bei Vorliegen einer drohenden Zahlungsunfähigkeit nach § 18 InsO und bei Vorliegen einer Vergleichsrechnung zur Abwicklung nach Insolvenz eröffnet.
Der Hauptbestandteil einer Restrukturierung unter Nutzung des StaRUG ist ein sog. Restrukturierungsplan. In einem Restrukturierungsplan werden die Beteiligten, in deren Rechte zur Restrukturierung und Abwendung einer Insolvenz eingegriffen werden soll, in Gruppen von sog. Planbetroffenen eingeteilt. Die Planbetroffenen stimmen sodann über den Restrukturierungsplan ab. In jeder Gruppe ist eine Zustimmung von 75 % erforderlich, damit die Mehrheitsentscheidung auch die nicht an der Abstimmung teilnehmenden bzw. gegen den Restrukturierungsplan stimmenden Planbetroffenen bindet. Das Mehrheitserfordernis knüpft dabei an das insgesamt vorhandene Forderungsvolumen der in die entsprechende Plangruppe eingeteilten Gläubiger (z.B. Inhaber von Anleihen) bzw. bei Aktionären an das gesamte Grundkapital an. Eine fehlende mehrheitliche Zustimmung insbesondere der Gruppe der Aktionäre kann aber regelmäßig durch Gerichtsbeschluss ersetzt werden, wenn die Zustimmung anderer Gruppen von Planbetroffenen mit der nötigen Mehrheit erfolgte. Stimmen etwa die planbetroffenen Gläubiger mit der nötigen Mehrheit zu, kann eine fehlende Zustimmung der Gruppe der Gesellschafter gerichtlich ersetzt und in das Eigentum der Anteilseigner eingegriffen werden.
Ein Restrukturierungsplan ist sehr flexibel. Im Restrukturierungsplan kann gegenüber den Gläubigern Stundungen, Zinsanpassungen, Kürzungen ihrer Forderungen und sonstige Maßnahmen vorsehen und gegenüber Gesellschaftern können alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen erfolgen.
Wichtiger Bestandteil des Restrukturierungsplans ist die sogenannte Planvergleichsrechnung. Diese vergleicht die wirtschaftlichen Auswirkungen des Restrukturierungsplans für die Planbetroffenen regelmäßig mit dem Regel-Insolvenzverfahren.
Zu berücksichtigen ist im Restrukturierungsplan und im Verfahren das Gleichbehandlungsgebot. Die Gesellschafter befinden sich bei Eingriffen in ihre Rechte gemeinsam in einer Gruppe von Planbetroffenen, innerhalb derer das Gleichbehandlungsgebot gilt.
Die Rechtsmittel gegen gerichtlich bestätigte Restrukturierungspläne sind stark beschränkt und setzen voraus, dass der Planbetroffene gegen den Restrukturierungsplan stimmt, diesem widerspricht und zudem glaubhaft macht, dass er durch den Restrukturierungsplan schlechter gestellt wird als in dem hypothetischen Alternativszenario ohne Restrukturierungsplan.
Für Banken, die sich gegenüber zu sanierenden Unternehmen in einer Gläubigerposition sehen und für Vermögensverwalter stellt sich die Frage, warum sich die einzelnen stake-holder für ein StaRUG-Verfahren entscheiden.
- Vorteile des StaRUG für Unternehmen
Ein wesentlicher Vorteil der Restrukturierung nach StaRUG ist, dass es grundsätzlich als ein nichtöffentliches Verfahren geführt wird, an dem nur die betroffenen Gläubiger und ggf. Anteilseigner beteiligt werden. Mit dem StaRUG vermeiden Unternehmen ein förmliches, öffentliches Insolvenzverfahren bei dem negative Publizitätswirkungen vermieden werden können.
Im Restrukturierungsplan können gegenüber den Gläubigern Stundungen, Zinsanpassungen, Kürzungen ihrer Forderungen und sonstige Maßnahmen flexibel vorgesehen sein und gegenüber Gesellschaftern können alle gesellschaftsrechtlich zulässigen Maßnahmen erfolgen.
Eine Sanierung mittels Restrukturierungsplan eignet sich vor allem für Unternehmen, die durch hohe Finanzverbindlichkeiten betroffen sind und für die eine weitere/neue (Re-)finanzierung durch eine hohe Schuldenbelastung erschwert ist. Das StaRUG-Verfahren eignet sich nicht so sehr für operative Sanierungen als vielmehr für Finanzsanierungen.
- Folgen des StaRUG für Gläubiger
Gläubiger müssen bei einer Beteiligung im Rahmen eines StaRUG-Verfahrens mit Einschnitten in ihre Rechte rechnen. Gläubiger müssen sich auch ggf. einer Mehrheit fügen, wenn sie als Beteiligte an einer Gläubigergruppe mit vergleichbaren Rechtspositionen durch eine Mehrheit in ihrer Gruppe überstimmt wurden und müssen ggf. auch geplante Einschnitte hinnehmen. Im Gegenzug werden ihnen unter bestimmten Voraussetzungen Minderheitenrechte gewährt. Ein Restrukturierungsplan wird auf Antrag eines Gläubigers nicht gerichtlich bestätigt – und wirkt damit auch nicht gegen ablehnende Gläubiger – wenn der Gläubiger durch den Restrukturierungsplan voraussichtlich schlechter gestellt wird, als er ohne den Plan stünde. Die Vergleichsrechnung muss also darlegen, dass der Gläubiger jedenfalls keine größeren Nachteile hinnehmen muss, als ihm auch ohne den Restrukturierungsplan entstehen würden. - Pflichten durch das StaRUG für Gesellschafts-Organe
Das StaRUG verpflichtet Geschäftsleiter zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement. Den Überwachungsorganen wie z. B. Aufsichtsrat oder Beirat haben sie entsprechend Bericht zu erstatten. Die Geschäftsleiter müssen dafür Sorge tragen, dass Systeme zur Krisenfrüherkennung im Unternehmen eingeführt und regelmäßig aktualisiert werden und dass bei Erkennen einer Krise rechtzeitig gegengesteuert wird. - Bedeutung des StaRUG für Gesellschafter
Das StaRUG schafft eine Möglichkeit zum Schuldenschnitt auch gegen den Willen einzelner Gläubiger. Dies kann auch Minderheitsgesellschafter betreffen.
Zuletzt nutzten Unternehmen das Verfahren auch vermehrt, um die Gesellschafterstruktur zu verändern oder sanierungsunwillige Gesellschafter zu verdrängen, weil nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die außergerichtliche Sanierung bisher nur unter den strengen Voraussetzungen zu der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppe „Sanieren oder Ausscheiden“ möglich ist. Im Insolvenzverfahren hingegen sind Eingriffe in Gesellschafterrechte mittels Insolvenzplan zwar deutlich leichter umsetzbar, aber dies eben auch mit den Nachteilen eines öffentlich publizierten Insolvenzverfahrens mit langer Verfahrensdauer und hohen Kosten und unter Einbeziehung aller Gläubiger.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass sich Unternehmen mit dem StaRUG also ganz schnell, rechtssicher, nicht öffentlich und kostengünstig entschulden und sanieren können. Den Unternehmen steht mit dem Restrukturierungsplan des StaRUG ein Instrument zur Verfügung, das Eingriffsmöglichkeiten bietet, die mit dem Insolvenzplan vergleichbar sind, aber entscheidende Nachteile eines Insolvenzverfahrens vermeidet.
Autor: Ralph Veil, Rechtsanwalt