Eine Kolumne über monetäres Vertrauen von Edmund Pelikan zur Grundsteuerreform
Wer der Politik glaubt, wenn sie „aufkommensneutrale“ Steuerreformen verspricht, glaubt auch an kalorienfreie Sahnetorte. Die laufende Grundsteuerreform ist ein besonders lehrreiches Beispiel. Offiziell soll sie in Summe nicht mehr einbringen als zuvor. Und hier war ich selbst mit einer Überraschung konfrontiert: Weil die Stadt Landshut ihrer Meinung nach mit dem bisherigen Hebesatz 430 nicht genügend einnahm, wurde dieser kurzerhand auf 483 angehoben.
Praktisch entscheidet am Ende jede Kommune selbst, wie stark sie den Hebesatz anzieht oder lockert – und genau hier zerbröselt das Versprechen aus Berlin. Die Neubewertung der Immobilien verschiebt die Lasten, der Hebesatz gleicht es einfach aus. Neutralität ist dabei kein Recht, sondern bestenfalls eine Absichtserklärung.
Das Ergebnis sehen derzeit die Eigentümer und Mieter auf ihren Bescheiden: Manche Städte dämpfen, andere nutzen den Spielraum offensiv. Die Gemeinde Wietzendorf im Landhreis Heidekreis mit 4176 erhöht schamlos auf 580, aufkommensneutral wäre 260 nach Recherchen vom Bund der Steuerzahler Niedersachen gewesen. Die einen Kommunen verweisen auf Haushaltslöcher, die anderen auf Lenkungsziele wie Baulandaktivierung. Wer in einer „dynamischen“ Kommune wohnt, lernt die bitterste Lektion: Reformzeit ist oft Erntezeit für stille Mehreinnahmen.
Dieses Muster ist nicht neu. Die Einkommensteuer kennt die kalte Progression – Inflation und Lohnanpassungen schieben Steuerzahler in höhere Zonen, ohne dass der Gesetzgeber den Steuersatz anfasst. Man sollte auch einmal nachforschen, ab wann der Spitzensteuersatz fällig wird – heute und inflationsbereinigt vor 50 Jahren. In diesem Zusammenhang stellen sich die Erwägung im aktuellen Sommerinterview des Bundesfinanzministers Lars Kingbeil nach Steuererhöhung bei Reichen als Realsatire dar. Man wird überrascht sein, wen der Finanzminister bereits als reich einstuft.
Bei der Grunderwerbsteuer durften die Länder seit der Föderalismusreform den Satz gestalten – viele taten es, meist nach oben. Immer derselbe Mechanismus: Ein technischer Umbau oder eine veränderte Bemessungsgrundlage, flankiert von hehren Zielen, führt in der Praxis zu schleichender Mehrbelastung.
Edmund Pelikan hat dies in seiner Streitschrift „Monetäre Demenz“ scharf umrissen: Der Staat nutzt Reformfenster, um verdeckte Einnahmequellen zu öffnen – rhetorisch weichgespült, fiskalisch wirksam. Genau deshalb gehört Misstrauen zur finanziellen Grundhygiene. Prüfen Sie die Hebesätze Ihrer Kommune, vergleichen Sie „Neutral-Korridore“ mit der Realität. Fordern Sie Transparenz, bevor die nächste Jahresabrechnung zur Überraschung wird.
Die Lehre aus der Grundsteuerreform lautet: „Aufkommensneutral“ ist kein ökonomisches Naturgesetz, sondern politische Poesie. Wer seine Finanzen ernst nimmt, liest solche Versprechen wie das Kleingedruckte – und rechnet selbst nach. Das ist das Ziel der Stiftung Finanzbildung – für monetäres Vertrauen.