Der deutsche Investmentmarkt ist äußerst schwach in das neue Jahr gestartet. Angesichts des seit Mitte vergangenen Jahres dominierenden Themas rund um Inflation und Zinserhöhung ist das keine Überraschung. Am Ende des ersten Quartals 2023 steht ein Transaktionsvolumen von 7,8 Milliarden Euro zu Buche. Das ist das schwächste Ergebnis eines ersten Quartals seit zwölf Jahren, als 6,5 Milliarden Euro registriert wurden. Der direkte Vergleich mit dem sehr starken Auftaktquartal des vergangenen Jahres fällt mit minus 68 Prozent besonders negativ aus. Da die Bedingungen ohne Krieg niedrigeren Zinsen sowie geringerer Inflation allerdings völlig anders waren, dient der Vergleich auch nur der Statistik. Relevanter ist da schon der Blick auf den langjährigen Schnitt und auch der fällt dramatisch aus: Minus 56 Prozent im Vergleich zum Zehnjahresschnitt und auch minus 45 Prozent im Vergleich zum Fünfzehnjahresschnitt, der dann auch die schwachen Jahre nach der globalen Finanzkrise umfasst.
Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany: „Gerade angesichts des trüben Jahresauftakts ist eine klare und differenzierte Marktbetrachtung wichtig. Wir sehen zwar weder die Menge noch die Größenordnung der vergangenen Jahre bei den Transaktionen. Doch jenseits des allgemeinen Gesamtbildes bieten sich im Einzelfall nach wie vor Chancen. So gibt es weiterhin Verkäufer, die vor einigen Jahren zu deutlich niedrigeren Preisen gekauft haben und nun die geringe Dynamik im Markt für sich zu nutzen wissen. Auch sind nicht alle Nutzungsarten in gleicher Weise betroffen. Die Mipim in Cannes hat zudem gezeigt, dass Markterfahrung und -expertise im aktuellen Marktumfeld angesichts aktueller Herausforderungen wichtiger denn je sind – wie auch die Tatsache, dass, weil die Zinshöhe wieder eine signifikante Größe ist, die Fristenkongruenz auf der Aktiv- wie der Passivseite ein sehr wirksamer Risikopuffer ist.“
Finanzmärkte haben besonnen auf Turbulenzen reagiert
Viele Akteure halten sich derzeit jedoch auffallend zurück: „Der Markt in Europa wird derzeit von einer beeindruckenden Illiquidität geprägt“, beobachtet Jan Eckert, Head of Capital Markets JLL DACH. Was hemmt den Markt? Droht eine erneute Bankenkrise? Angesichts der Turbulenzen der vergangenen Wochen könnte man schon zu dem Schluss kommen, die Bankenpleiten in den USA seien der Auftakt zu einer neuen Schockwelle. Doch die Finanzmärkte haben erstaunlich besonnen und ruhig reagiert, einem kurzen Kursabsturz an den Börsen folgte eine schnelle Erholung, wohl auch, weil die Probleme dieses Mal anders gelagert sind als 2007/2008. Was allerdings gleichgeblieben ist, dass die Notenbanken und der Staat mit Liquiditätsspritzen und Garantien als Rettungsanker fungieren. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie lange solche staatlichen Aktionen gut gehen können, zumal das Beispiel Credit Suisse/UBS zeigt, dass mit der Zwangsfusion nun ein Bankkonzern entstanden ist, dessen Bilanz deutlich über dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz liegt. Nach „too big to fail“ nun „too big to bail”? Also zu groß um gerettet zu werden? „Im Moment deutet vieles darauf hin, dass die derzeitige Situation bei weitem nicht so ernst ist wie während der globalen Finanzkrise“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany.
Angesichts der immer noch vielen Unbekannten sind die Risiken für das Wirtschaftswachstum und vor allem auch für die kreditabhängige Immobilienwirtschaft jedoch gravierend. Gerade in den USA sitzen die Regionalbanken aufgrund steigender Zinsen auf hohen unrealisierten Verlusten bei Wertpapieren inklusive Engagements in Gewerbeimmobilien, die einen großen Teil ihres Vermögens ausmachen. Die Belastungen für die Banken werden sich vor allem über verschärfte Kreditbedingungen auf die Realwirtschaft übertragen. In welchem Umfang, ist derzeit noch nicht klar. „Dennoch befinden wir uns bereits an einem Punkt, an dem die globalen Konjunkturprognosen beeinträchtigt werden und die Abwärtsrisiken deutlich höher einzuschätzen sind. Noch haben die Notenbanken ihren Zinserhöhungskurs unbeirrt fortgesetzt und auch die Rhetorik gab bislang keinen Anlass darauf zu setzen, dass der Kurs geändert wird. Dennoch wird in den nächsten Sitzungen sicherlich intensiv über den Einfluss der hohen Zinsen auf die Realwirtschaft im Spannungsverhältnis mit einer nach wie vor hohen Kerninflationsrate diskutiert werden“, erwartet Scheunemann.
Doch auch ohne Signale der Notenbanken hat sich an der Zinsfront eine gewisse Stabilisierung gezeigt. Die greifbare Unsicherheit nach den Bankenpleiten hat zu einer Flucht in Staatsanleihen geführt, was deren Renditen nach unten drückte. Infolgedessen sanken sowohl die Hypothekenzinsen als auch die Swap-Rates (von 3,5 Prozent Anfang März auf aktuell knapp unter drei Prozent). „Insofern ist ein heftiges Gewitter manchmal besser als dauerhaft trüber Himmel, und die nächsten Wochen werden zeigen, ob ein solcher exogener Schock dann auch die Preisfindung am Immobilienmarkt beschleunigen wird“, sagt Helge Scheunemann.
Verkäufer müssen sich an neue Realitäten gewöhnen
Für die ersten drei Monate des Jahres gilt das sicherlich noch nicht. Investoren agieren nach wie vor extrem zurückhaltend, die Unsicherheit über Konjunktur- und Zinsentwicklung ist dabei der stärkste Bremsklotz. „Erst wenn sich eine gewisse Stabilisierung zeigt, kann der Fuß von der Bremse genommen werden und dann werden auch wieder Transaktionen in signifikanter Größenordnung stattfinden. Denn Kapital ist nach wie vor grundsätzlich vorhanden und auch die grundlegende Erkenntnis, dass Immobilien in jedes Portfolio gehören, hat sich nicht geändert“, sagt Scheunemann. Was sich geändert hat, ist die Preisvorstellung und angesichts Finanzierungskonditionen inklusive Marge von mehr als vier Prozent müssen sich auch die Verkäufer an neue Realitäten gewöhnen.
Doch damit tun sich viele Marktteilnehmer nach wie vor schwer: „Ich kaufe doch jetzt nicht zum 25fachen“ und „Ich verkaufe doch jetzt nicht zum 25fachen“ sind Aussagen, welche die derzeitige Patt-Situation zwischen Käufern und Verkäufern auf den Punkt bringen. „Wir befinden uns in einer klassischen Bid-ask-Falle“, unterstreicht Jan Eckert. Solange an der Zinsfront keine Stabilität eintritt oder zumindest in Sicht ist, solange wird sich dieser Knoten nur schwer lösen können. „Ausgerechnet die geringfügigen Zinserhöhungen sorgen weiterhin für Verunsicherung und nur zögerliche Neubewertungen. Allerdings ist längst nicht ausgemacht, dass eine Schocktherapie wie beispielsweise in Großbritannien nach dem Regierungswechsel im vergangenen Herbst der sinnvollere Weg ist“, analysiert Eckert.
Die Zügel in der Hand haben die Notenbanken. Die Inflation ist in Deutschland im März nun zwar deutlich auf 7,4 Prozent zurückgegangen, doch die für die Beurteilung maßgebliche Kerninflation stieg europaweit sogar noch weiter auf 5,6 Prozent an. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob das Zwei-Prozent-Inflationsziel der EZB angesichts globaler Trends und zukünftigen demografischen Entwicklungen noch angemessen ist.
Fakt ist, dass zumindest die Rhetorik der EZB noch keinen Kurswechsel signalisiert. Dennoch: Die Finanzmärkte sehen das wohl anders und angesichts der jüngsten Verwerfungen im Bankensektor und der deutlich spürbaren negativen Auswirkungen auf die Kreditvergabe der Banken wird immer häufiger ein Ende der Zinserhöhung erwartet. „Das wäre natürlich ein Signal für Immobilieninvestoren und sobald ein solches erkannt wird, rechnen wir auch wieder mit einem deutlichen Schub am Investmentmarkt. Ob die dann angeschobenen Transaktionen noch für 2023 wirksam werden, muss aber abgewartet werden, im Moment sehen wir in der Prognose ein Transaktionsvolumen von nicht mehr als 50 Milliarden Euro für 2023“, erklärt Scheunemann.
Kaum großvolumige Transaktionen
Angesichts des niedrigen Gesamtvolumens ist es keine Überraschung, dass im Markt derzeit vor allem großvolumige Transaktionen jenseits der 100 Millionen Euro fehlen. Das Gros der Nachfrage fokussiert sich im Moment auf Volumina im Bereich zwischen 40 Millionen und 70 Millionen Euro für Büroimmobilien und zwischen 30 Millionen und 60 Millionen Euro für Logistikimmobilien. Eine entsprechende Gebäudeausstattung und Vermietung vorausgesetzt, ist das die Bandbreite, in der entweder mit Eigenkapital investiert wird, oder bei der die Banken noch eine Finanzierung mittragen. „Davon sind alle Assetklassen gleichermaßen betroffen“, sagt Eckert, „allein der Retailinvestmentmarkt ist in der Entwicklung etwas voraus, weil die Assetklasse in der Coronapandemie harte Einschnitte hinnehmen musste.“
Eine der größten Transaktionen der ersten drei Monate war der Verkauf eines 49,9-Prozent-Anteils des KaDeWe in Berlin durch Signa an die Central Group, einem Asset-Manager aus Thailand für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Darüber hinaus wechselten aber nur 13 Immobilien beziehungsweise Immobilienportfolios mit einem Volumen von jeweils mehr als 100 Millionen Euro den Eigentümer.
Portfolios sind derzeit so wenig gefragt wie seit 2010 nicht mehr
Überhaupt waren Portfolios kaum gefragt. Insgesamt wurden nur 2,4 Milliarden Euro für diese Kategorie registriert, der Rückgang gegenüber dem Vorjahr fiel mit 80 Prozent überdurchschnittlich aus und es war das schlechteste erste „Portfolio-Quartal“ seit dem Jahr 2010. „Unter den aktuellen Marktbedingungen sind Refinanzierungen komplizierter geworden, sodass vor allem Portfolios nicht mehr in dem Maße nachgefragt werden, wie wir es in den vergangenen Jahren gesehen haben“, erklärt Eckert.
Living holt sich die Spitzenposition bei den Assetklassen zurück
Der Blick auf die Assetklassen zeigt einen erneuten Wechsel an der Spitze. Immobilien der Kategorie Living stehen mit einem Anteil von mehr als 31 Prozent jetzt wieder vor Büros mit 24 Prozent. Angesichts der niedrigen absoluten Volumina dürfen diese Vergleiche aber nicht überinterpretiert werden. „Langfristig wird es in Deutschland immer wieder Wechsel zwischen Büro und Living geben, denn der deutsche Markt ist auf der einen Seite von Dienstleistungen und auf der anderen von einer langen Miettradition geprägt. Letzteres im deutschsprachigen Europa viel stärker als in den Nachbarländern“, erklärt Jan Eckert.
Erst mit Abschuss des ersten Halbjahrs sollten sich etwaige Präferenzen der Investoren auch in den Zahlen zeigen. Im Zuge der gesamten Rückkehr-ins-Büro-Debatte und steigender Leerstände gepaart mit den oftmals hohen Volumen werden Büroimmobilien derzeit kritisch gesehen. Bei Logistik- und Wohnimmobilien sprechen die strukturellen Fundamentaldaten – anhaltende Urbanisierung, Angebotsmangel, Entspannung bei Lieferketten – für diese Assetklassen. Und auch Einzelhandelsimmobilien scheinen aufgrund der bereits erfolgten Preisanpassungen der vergangenen Jahre eine gewisse Nachfrageerholung verzeichnen zu können.
Transaktionsvolumen der sieben Metropolen liegt im Schnitt 63 Prozent unter dem Vorjahr
Das Fehlen der insbesondere großvolumigen Bürotransaktionen macht sich vor allem in der Bankenmetropole Frankfurt bemerkbar. Der Rückgang gegenüber dem ersten Quartal 2022 beläuft sich auf fast 90 Prozent. Nur 320 Millionen Euro konnten für Frankfurt registriert werden, nach Köln der niedrigste Wert der sieben größten Immobilienmärkte. Auf dem ersten Platz steht nach wie vor Berlin als einzige der Hochburgen mit einem Transaktionsvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Auch der Rückgang gegenüber dem ersten Quartal 2022 fällt mit 40 Prozent noch relativ moderat aus. Auch München (minus 33 Prozent) und Stuttgart (minus 30 Prozent) lagen im Vergleich unter dem Schnitt der sieben Metropolen in Höhe von minus 63 Prozent. „Diese starke Volatilität wird nicht der neue Normalzustand bleiben. In der epochalen Kombination der Herausforderungen ist das erste Halbjahr 2023 durchaus in Teilen mit dem Jahr 2008 zu vergleichen. Die Ausschläge werden mit der Zeit aber wieder abnehmen. Denn letztlich sind Immobilien ein zyklisches Investment, auch wenn es bis vor Kurzem einen außergewöhnlich langen Zyklus gab“, ordnet Jan Eckert den starken Rückgang im Jahresvergleich ein.
Renditespread von Immobilien ist wieder leicht gewachsen
Die Reaktion der Finanzmärkte auf das jüngste Bankenbeben jenseits des Atlantiks und in der Schweiz fiel besser aus als befürchtet. Eine kurze Schockphase wurde schnell überwunden und seit Mitte März liegen die Finanzierungszinsen (fünfjährige Swap Rates) bei rund drei Prozent. Das ist laut Scheunemann zunächst einmal als positiv zu bewerten. „Sollte sich das Niveau auch in den nächsten Wochen auf diesem Level stabilisieren, wäre das inklusive einem Margenaufschlag von 150 Basispunkten immerhin eine Kalkulationsbasis für Immobilieninvestments. Der Abstand zu Büroimmobilienrenditen liegt dann zwar immer noch bei 104 Basispunkten, und ein positiver Leverage-Effekt lässt sich immer noch nicht erzielen, dennoch reduzierte sich diese Lücke seit dem Herbst 2022 um immerhin 80 Basispunkte und macht eine Preisfindung von Käufern und Verkäufern zumindest wieder greifbarer“, analysiert Scheunemann. Auch die Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen hat sich aktuell bei rund 2,3 Prozent eingependelt, sodass der Renditespread von Immobilien sich wieder leicht ausweiten sollte. „Und bei all dem darf nicht vergessen werden, dass nach wie vor die Realverzinsung für Immobilien als Anlageklasse spricht. Auch wenn Anleger aktuell Anleihen bevorzugen, bleibt es eine Wette auf die Zukunft und wer jetzt in deutsche Anleihen investiert, verliert real immer noch Geld, denn die erwarteten Realzinsen sind nach wie vor negativ“, verdeutlicht Scheunemann.
Bürospitzenrendite liegt in den sieben Hochburgen im Schnitt bei 3,53 Prozent
Das Repricing ist also im vollen Gange und besonders die Spitzenrenditen für Büroimmobilien sind in den vergangenen zwölf Monaten deutlich gestiegen. Aktuell stehen wir bei 3,53 Prozent als Mittelwert über die sieben Hochburgen, ein Plus von mehr als 90 Basispunkten gegenüber dem ersten Quartal 2022. Mit einem Plus von 97 Basispunkten zogen die Renditen für Logistikimmobilien ähnlich stark an. Hier gab es allerdings im Vergleich zum vierten Quartal 2022 keinen weiteren Anstieg zu verzeichnen, sodass die Spitzenrenditen auf einem Niveau von 3,93 Prozent verharren. Auch für Shoppingcenter sieht JLL Stabilisierungstendenzen. Nach wie vor liegt die Rendite hier bei fünf Prozent. Steigende Mieten und vor allem ein geringes Angebot sind nach wie vor die Anker für Mehrfamilienhäuser. Zwar haben auch diese im Jahresvergleich um 78 Basispunkte zugelegt, mit einem Durchschnittswert von 3,14 Prozent sind diese aber weiterhin die teuerste Assetklasse.
„Der Ausblick für den weiteren Jahresverlauf gestaltet sich extrem schwierig. Da die Mieten in nahezu allen Assetklassen steigen, können diese die Wertverluste steigender Renditen zwar etwas abfedern, aber eben nicht verhindern. Letztere sollten im Schnitt noch ungefähr 20 Basispunkte steigen. Je schneller sich dieser Anpassungsprozess vollzieht und je eher sich die Notenbanken zu einem Konsolidierungskurs entscheiden, desto eher wird es dann auch wieder Einstiegsmöglichkeiten für Investoren in den Immobilienmarkt geben“, meint Helge Scheunemann.
Quelle: JLL