Egal, welchen Indikator man bemüht, welche Wirtschaftsexperten oder welche Unternehmensverbände man befragt, fast alle gehen mit getrübter Stimmung in das neue Jahr. Dabei kommen wir doch gerade erst aus einem Jahr, welches rückblickend jede Menge Unsicherheiten im Gepäck hatte. Und dieses Gepäck lässt sich nicht wie sonst so häufig in der Geschichte der deutschen Wirtschaft nach einer Zeit der Flaute ablegen. Im Gegenteil, es scheint so, als ob der Eindruck des Jahres 2023 komplett mit über die Jahresgrenze in das Jahr 2024 genommen wird.
Fakt ist, dass 2023 für den deutschen Bürovermietungsmarkt nicht berauschend war: In Summe schließt der deutsche Bürovermietungsmarkt in sieben Spitzenstandorten das Jahr mit einem Umsatz von etwas mehr als 2,5 Millionen m² ab. Angesichts der Herausforderungen und Unsicherheiten, mit denen sich Unternehmen aller Branchen in den vergangen zwölf Monaten konfrontiert sahen, ist dies ein Ergebnis, das nachvollziehbar ist und unsere Prognosen aus dem Oktober bestätigt. Dennoch ist dies das schwächste Umsatzergebnis seit 2009. Gegenüber dem sehr nachfragestarken Jahr 2022 fiel das Minus mit 28 Prozent entsprechend groß aus.
Alle sieben Immobilienhochburgen müssen teils heftige Umsatzeinbußen verkraften
Im Vergleich zum Vorjahr mussten alle sieben Immobilienmetropolen Umsatzrückgänge hinnehmen. Ein positives Fazit zum Jahresende lässt sich aber daraus ziehen, dass in Frankfurt, Köln, München und Stuttgart und damit immerhin in vier der sieben Büromärkte das vierte Quartal das stärkste des Jahres war. Dadurch konnte Frankfurt zusammen mit Düsseldorf das Jahresminus im einstelligen Prozentbereich halten. Das größte Minus mit 49 Prozent bleibt für Stuttgart zu beobachten, dieses hat sich aber seit dem Oktober-Stand von minus 57 Prozent immerhin etwas reduziert.
Dr. Konstantin Kortmann, Country Leader JLL Germany und Head of Markets: „Nach dem herausragenden Vermietungsjahr 2022 fällt der zeitlich verzögerte Einfluss der miteinander verknüpften Krisen seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine auf den Bürovermietungsmarkt umso drastischer aus. Angesichts der bislang historisch einmaligen Kombination aus Herausforderungen von Zinswende, über Energiepreise bis zu geopolitischen Konflikten war erwartet worden, dass sich die Bürovermietungsmärkte dem nicht komplett entziehen konnten. Zu stark sind Unternehmen durch alle Branchen hinweg von den vielfältigen Auswirkungen betroffen. Doch anders als auf dem Investmentmarkt scheint das Tal hier kürzer: Denn im Licht einer leichten gesamtwirtschaftlichen Erholung 2024 rechnen wir zum derzeitigen Stand damit, dass auch die Büroflächenumsätze wieder zunehmen werden. Unsere aktuelle Prognose zeigt ein Plus von zehn Prozent für dieses Jahr.“
Wahlen und Geopolitik haben 2024 entscheidenden Einfluss auf die Büromärkte
Die Last aus geopolitischen Konflikten, fehlenden konjunkturellen Impulsen aus dem Ausland, immer noch spürbarer Inflation und einer „Das Glas ist halb leer“-Mentalität der Konsumenten wiegt schwer. Inwieweit sich eine solche Negativstimmung auch global verfestigt, dürfte zudem von einem bislang einmaligen Effekt in der Geschichte geprägt sein: Global gesehen werden 2024 mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung an Wahlen teilnehmen können. Von Indien bis Indonesien, von Großbritannien bis zu den USA. Noch nie in der Geschichte werden so viele Bürger innerhalb eines Jahres über neue Regierungen entschieden haben – mit entsprechenden Konsequenzen für künftige Handels- und Wirtschaftsbeziehungen.
Faktisch und in nüchternen Zahlen ausgedrückt wird die deutsche Wirtschaft 2023 voraussichtlich leicht geschrumpft sein. Für 2024 ist laut Consensus dann immerhin mit einem kleinen Plus von 0,4 Prozent zu rechnen. „Die Meinungen der Wirtschaftsforschungsinstitute klaffen dabei aber sehr weit auseinander, die Spanne reicht von -0,5 Prozent bis zu 1,3 Prozent und dokumentiert die auch unter den Experten herrschende Unsicherheit zur Einschätzung der weiteren Entwicklung der Konjunktur“, sagt Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany. Immerhin: Der Arbeitsmarkt soll weitestgehend stabil bleiben und die Arbeitslosenquote sich bei 5,8 Prozent einpendeln.
„Unterstützung“ kommt dabei von einem Phänomen, welches sich im nächsten Jahr erstmalig zeigen dürfte: dem demographischen Effekt. Die Alterung der Bevölkerung dürfte dazu führen, dass die Zahl der Erwerbstätigen erstmalig wieder rückläufig sein wird. „Das stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen in Bezug auf die Besetzung offener Stellen und erfordert entweder weitere Investitionen in den ,Faktor‘ Mensch in Form von höheren Löhnen und Gehältern oder aber in die Digitalisierung und die Integration Künstlicher Intelligenz in Arbeitsabläufe und Prozesse, um die Effizienz und die Produktivität zu erhöhen“, blickt Scheunemann voraus.
Dies alles geht auch am Immobilienmarkt nicht spurlos vorüber und beide oben skizzierten Investitionsoptionen erfordern ein stetiges Anpassen und Neu-Denken des Faktors Bürofläche. „Hier sehen wir auch für 2024 einen klaren Fokus auf den Faktor Qualität. Das dürfte die Ausdifferenzierung des Marktes weiter vorantreiben mit weiter steigenden Spitzenmieten für Top-Flächen und Mietpreiseinbußen für nicht mehr zeitgemäße Büros. Solange Deutschland nicht in eine tiefe und nachhaltige Rezession rutscht – wonach es derzeit nicht aussieht – sollte sich an dieser Entwicklung des Büromarktes nichts ändern“, erwartet Miguel Rodriguez Thielen, Head of Office Leasing JLL Germany.
Büros bleiben auch künftig unverzichtbarer Bestandteil einer Unternehmenskultur, leicht steigende Rückkehrraten ins Büro sind Beleg dafür, gleichwohl das hybride Arbeiten weiterhin Bestand haben wird.
Ein weiterer Aspekt von attraktiven und damit teureren Büroflächen ist Nachhaltigkeit. Auch dieser Trend ist nicht mehr umkehrbar. Ein großes Fragezeichen steht allerdings hinter Projektentwicklungen. Immer noch sorgt die angespannte Lage für eine Verschiebung oder sogar eine Stornierung von Neubauentwicklungen. „Es dürfte noch eine Weile dauern, bis sich hier eine Normalität eingestellt haben wird. Je stärker die Pipeline für Neubauten und Revitalisierungen austrocknet und damit weniger moderne Bürofläche auf den Markt spült, desto stärker wird es die Mieten in den verfügbaren Flächen in zentraler Lage steigen lassen“, analysiert Rodriguez Thielen.
Neubauvolumen geht 2023 um rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück
Der Blick auf die Baubranche zeigt, dass das Jahr 2023 von enormen Schwierigkeiten für Projektentwickler geprägt war. Hohe Baukosten, Fachkräftemangel und Materialknappheit sind hier die Stichworte. „Während es auf der Kostenseite zumindest eine leichte Entspannung gibt – die Baukosten sinken, bleiben aber immer noch auf historisch hohem Niveau – sind es derzeit Finanzierungsengpässe und eine mangelnde Nachfrage, inklusive dem nach wie vor bestehenden Mangel an Fachkräften, die der Branche Sorgen bereiten“, sagt Scheunemann. Insgesamt führt dies dazu, dass zahlreiche Baustellen stillstehen, es zu Verzögerungen mit erheblichen Folgen für alle Beteiligten kommt oder geplante Projekte sogar ganz gestoppt werden. Insgesamt sind im Jahr 2023 rund 1,3 Millionen Quadratmeter neue Flächen auf den Markt gekommen, was einem Rückgang von 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Nur in Frankfurt wurden etwas mehr Büroflächen als im Vorjahr fertig, in allen anderen Märkten war ein Minus zu verzeichnen.
Für 2024 (1,9 Millionen m²) und 2025 (1,7 Millionen m²) werden höhere Volumina erwartet, doch diese fallen deutlich niedriger aus als noch vor Jahresfrist erwartet. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich diese Prognosezahlen im Laufe des Jahres angesichts des aktuellen Umfelds weiter reduzieren könnten“, so Scheunemann. Erfreulich ist, dass mit 49 Prozent fast die Hälfte dieser Flächen zum gegenwärtigen Zeitpunkt vermietet oder durch Eigennutzer belegt ist. Die Vorvermietungs- beziehungsweise Belegungsquoten reichen dabei von 43 Prozent in der Hauptstadt Berlin und Düsseldorf bis hin zu 60 Prozent in Stuttgart. Die stärksten Bauaktivitäten beobachtet JLL in den beiden größten Büromärkten Berlin und München, auf die 57 Prozent des derzeit erwarteten Bauvolumens für die Jahre 2024 und 2025 entfällt.
Leerstand steigt, bleibt aber überall im einstelligen Bereich
Das sich reduzierende Neubauvolumen verringert etwas den Druck von der Angebotsseite, aber neu errichtete Flächen erhöhen den Leerstand direkt, wenn sie zum Zeitpunkt der Fertigstellung noch nicht vermietet sind. In den Monaten Oktober bis Dezember 2023 waren dies in den sieben Hochburgen zusammen mehr als 150.000 m². Dazu kommt, dass die konjunkturelle Schwäche dazu führt, dass manche Unternehmen bei Umzügen mehr Fläche zurücklassen als sie neu beziehen. Insgesamt stehen suchenden Unternehmen somit in den sieben Hochburgen zum Jahresende 5,64 Millionen m² kurzfristig zur Verfügung. Das entspricht einer Leerstandsquote von 5,8 Prozent, die 0,3 Prozentpunkte über dem Wert von vor drei Monaten liegt.
Die Leerstandsquoten in den sieben wichtigsten Märkten liegen allesamt im einstelligen Prozentbereich in einer Bandbreite von 3,3 Prozent in Köln und 4,0 Prozent in Stuttgart, wo man nach wie vor von einer Knappheit sprechen kann, bis hin zu Werten von 8,8 Prozent in Frankfurt und 9,7 Prozent in Düsseldorf.
Positiv wirkt sich aus, dass das Volumen der zur Untermiete angebotenen Flächen zurückgegangen ist. Standen vor drei Monaten noch 835.000 m² in der Statistik, sind es zum Jahresende 2023 nur noch 808.000 m². Einige Flächen wurden vermietet und es werden nur noch wenige neu angeboten. „Dies spiegelt den Fortschritt in der Hybridisierung von Arbeitsplatzmodellen wider. Die massiven Flächenverkleinerungen durch Einführung hybrider Arbeitswelten ist somit abgeschlossen“, interpretiert Rodriguez Thielen die Daten. „Unverändert ist der Trend, dass die meisten Nutzer ihren Fokus auf sehr gut ausgestattete Flächen legen, wenn sie eine Neuanmietung und damit einen Umzug planen. Das bedeutet für Eigentümer von Gebäuden mit Leerstand in B- und C-Qualität, dass die Vermarktbarkeit ohne Aufwertung der Flächen zunehmend schwieriger wird.“
Münchner Spitzenmiete knackt die Marke von 50 Euro – Mietanreize werden zunehmen
Mittlerweile kennen die Büro-Spitzenmieten bereits seit 13 Jahren nur einen Weg: nach oben. Das hat sich auch 2023 mehr als deutlich gezeigt und der JLL-Spitzenmietpreisindex ist in den vergangenen zwölf Monaten um 6,8 Prozent auf einen neuen Höchststand von 275 Punkten geklettert. „Die Mietsteigerungen beobachten wir in allen Städten, wenngleich der Aufwärtstrend in den letzten drei Monaten teilweise zum Stillstand gekommen ist. Ausnahmen sind Berlin und München, wo die Spitzenmiete noch mal um jeweils einen Euro angestiegen ist“, fasst Rodriguez Thielen zusammen. In München wurde zum Jahresende die Marke von 50,00 Euro/m²/Monat erreicht. Damit summiert sich das Jahresplus in der bayerischen Landeshauptstadt auf 14 Prozent. Mit der gleichen Rate stiegen auch die Mieten in Köln auf aktuell 32,50 Euro/m²/Monat. Schlusslicht im Wachstum bleibt Frankfurt, hier steht ein Plus von lediglich etwas über einem Prozent in der Jahresschlussbilanz.
„Für 2024 rechnen wir weiterhin mit einer Fortsetzung dieses Trends, zumindest bei den Spitzenmieten in den besten Lagen. In Randlagen und in Objekten mit nur durchschnittlicher oder unterdurchschnittlicher Ausstattungsqualität wird der Druck in naher Zukunft allerdings zunehmen, was zu weiter sinkenden Durchschnittsmieten führen könnte“, sagt Rodriguez Thielen. Dies wird Eigentümer verstärkt dazu veranlassen, Incentives für ihre Mieter zu gewähren. Die nominalen Spitzenmieten sind bereits stärker gestiegen als die Effektivmieten, was bedeutet, dass Vermieter bereit sind, mehr Anreize zu gewähren als in den Jahren zuvor. Die Mietanreize – umgerechnet in mietfreie Zeiten – dürften im Laufe des Jahres auf bis zu 15 Prozent zulegen.
Quelle: JLL