Monetäre Doppelzüngigkeit der Politik

Die hervorragende Leistung des KENFO-Managements disqualifiziert die Aussagen der Politik

Die heutige Politik ist mehr denn je moralisierend. Das zeigt sich nicht nur an der Corona-Politik oder an der Energiepolitik, die uns auf Verzicht und Entbehrung vorbereiten will, sondern auch an so plakativen Momenten wie einer gendergerechten Sprache oder der Umverteilungspolitik, wo immer nur gesagt wird, wir als reiche Deutsche müssen in der ganzen Welt helfen, die Reichen in Deutschland müssen den Armen in Deutschland helfen oder Bayern muss Berlin finanzieren.

Unsere Überzeugung ist, dass wir Menschen solidarisch leben sollen, nie aber bis hin zur Selbstaufgabe. Bei der wunderbaren Idee der Sozialen Marktwirtschaft hatte Ludwig Erhard eine sozial orientierte Marktwirtschaft im Auge und nicht einen Sozialstaat, der den Markt aufzerrt und reguliert. Kritiker des „überbordenden Raubtier-Kapitalismus“ vergessen oft, dass die monetären Mittel für soziale Wohltaten nur mit einem funktionierenden Kapitalmarkt und einer gewinnorientierten Wirtschaft bezahlbar bleiben.

Dass die politischen Akteure dies oft verschweigen, dokumentiere ich nicht erst seit meinem Booklet „Monetäre Demenz“ aus der edition geldstun.de. Aktuell sind wieder einmal Beispiele der monetären politischen Doppelzüngigkeit offengelegt worden, die wir hier gerne nochmals darstellen möchten. Der große monetäre Pacesetter der 80er und 90er Jahre – Alfred Herrhausen – hatte es einmal so formuliert:

Wir müssen das, was wir denken, auch sagen.
Wir müssen das, was wir sagen, auch tun.
Wir müssen das, was wir tun, auch sein.

Anlagestrategie KENFO vs. deutsche Versicherungen

Hinsichtlich dieser moralischen Prüfung stellen wir nun das Portfolio der KENFO, dem „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ den klassischen Versicherungsportfolios gemäß Solvency II gegenüber.

Viel Lob gebührt dem Management des KENFO für seine Transparenz und die Detailinformationen, die jedermann im Internet bis hin zur detaillierten Portfolioliste einsehen kann. Der „Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung“ ist 2017 an den Start gegangen. Seitdem hat der Atomfonds den Wert seiner Anlagen jedes Jahr um durchschnittlich 8,6 Prozent gesteigert. Aber wie kann das funktionieren in Zeiten von Null- und Negativzinsen?

Ganz einfach: Das professionelle Portfoliomanagement setzt bei der Anlage des Stiftungskapitals von rund 24 Milliarden Euro auf breite Streuung in rund 9.000 Einzelpositionen aus 90 Ländern. Davon 35 Prozent Aktien, 30 Prozent illiquide Anlagen wie auch Immobilien, 25 Prozent risikotragende Anleihen und nur 10 Prozent „risikoarme“ Staatsanleihen mit Minderzinsen. Dabei handelt es sich hier auch um öffentliche Gelder, ein Portfolio, das auch im weitesten Sinn dem Bürger gehört. Und der sogenannte Atomfonds investiert auch in klimaschädliche Technologien. Über 750 Millionen Euro sollen in fossile Energien wie konventionelle Gas- und Ölförderung investiert sein. Ende 2020 standen auch die russische Sberbank (17 Millionen Euro) und der russische Ölkonzern Lukoil (26 Millionen Euro) auf der Liste. Das ist an sich nicht schlimm, widerspricht aber der nachhaltigen Ausrichtung.

Demgegenüber stehen die „sicherheitsorientieten“ Versicherungsportfolios gemäß Solvency II. Das Datenportal Statista veröffentlichte im Januar 2022 die Struktur der Kapitalanlagen der (deutschen) Erstversicherer. Sage und schreibe 81,1 Prozent sind dort in Renten und nur 5,1 Prozent in Aktien investiert. Hinzu kommen noch 7,8 Prozent in Beteiligungen und 4,1 Prozent in Immobilien. Warum eigentlich so wenig Aktien? Formell zum Schutz der Versicherungsnehmer und damit Anleger. Die fragwürdige Position der Politik wird zudem noch unterstrichen durch einen defacto Rechtsbruch durch eine Änderung der Vertragsbestimmungen zum Wohle der Versicherungen: Kunden, deren Vertrag regulär ausläuft oder die ihre Police vorzeitig kündigen, erhielten bislang die Hälfte der Bewertungsreserven, die auf ihre Lebensversicherung entfallen. Seit Herbst 2014 müssen die Versicherer aber nur noch den Anteil an festverzinslichen Reserven ausschütten, der ihren eigenen „Sicherungsbedarf“ übersteigt. Die Folge waren Ausschüttungsdefizite bei Versicherungskunden zum Ende der Laufzeit. Fatal vor allem bei Kunden, die einen Kredit damit tilgen wollten. Mit dem Schutz der Versicherungskunden kann also die niedrige Aktienquote nicht zusammenhängen.

Die monetäre Doppelzüngigkeit spielt sich auf zwei Ebenen ab

  1. Der Staat schützt den Anleger, Versicherungskunden oder auch Gaskunden nur verbal. Letztendlich läuft der Bürger ins Messer, zumindest diejenigen, die noch etwas Geld haben, selbst zu bezahlen. Die Politik braucht die gutgläubigen Versicherungskunden, um u.a. die Finanzindustrie indirekt über die Solvency II Richtlinie zu verpflichten, ihre minderverzinsten Staatsanleihen anzubringen.
  2. Der Staat wirtschaftet mit KENFO Portfoliogeld wie jeder frei agierende institutionelle Investor. Und dies ist auch gut so. Unsere Kritik richtet sich nicht gegen die Anlagestrategie und das Management des KENFO, sondern gegen die Verlogenheit der Politik, einerseits die Marktwirtschaft bei KENFO voll zu leben und andererseits bei Versicherung unter dem Vorwand von Sicherheitsinteressen für Kunden diese als Melkkuh zu missbrauchen. Und da scheint keine Partei besser wie die andere zu sein.

Pensionsfonds von Bund und Ländern investieren in Öl und Gas

Eine ähnliche Situation des Dualismus von dargestelltem Nachhaltigkeitsgedanken und gelebten Vertrauensbruch in Bezug auf die Vermögensverwaltung zeigt sich auch ganz aktuell. Die ARD deckte bei einer Recherche des Politikmagazins Panorama auf, dass ein Fonds zur Finanzierung von Richtern und Soldaten gemanagt durch das Bundesinnenministerium nicht nur Milliardensummen an der Börse investiert, sondern auch kräftig in Öl- und Gaswerte eingestiegen ist. Das ist gut für die Rendite, aber schlecht für die Glaubwürdigkeit.

Gerade müssen im Rahmen der Nachhaltigkeitspräferenz alle Anleger nach dem Wunsch befragt werden, ob diese nachhaltig investieren wollen. Und dann investiert ein Beamtenpensionsfonds im Öl-Aktien. Und die Beamten und Pensionisten wissen nichts davon. Es war ein Skandal als vor Jahren der Vatikan und deutsche Bistümer als strikte Kritiker von Verhütung zugeben mussten, ihr Geld bzw. die Steuern und Zuwendungen von Kirchenmitgliedern in Pharmafirmen anzulegen, die u. a. die Antibabypille herstellten.

So sollen gemäß den Panorama-Recherchen, trotz der Beteuerung des Bundes seit 2021 eine nachhaltige Anlagestrategie zu verfolgen, rund 500 Millionen Euro in Aktien fossiler Unternehmen wie Kohlekonzerne, Ölmultis und Gasfirmen investiert worden sein. Der eigens für den Bund gestaltete Aktienindex „Euronext V.E. ESG-World-Select 75 Bund/SV Index“ weist den Ölkonzern Exxon Mobil unter den zehn größten Werten aus.

Ähnliches gilt für andere Anlagetöpfe des Bundes, der Bundesagentur für Arbeit und der Länder. Auch hier ist wieder zur Klarstellung betont: Nicht die Investition an sich und die Orientierung an Renditebedürfnisse durch eine breite Streuung ist kritikwürdig, sondern der Vertrauensverlust durch die dokumentierte Differenz zwischen dem Gesagten und der Realität.

Kommen wir zum finalen Vertrauenscheck:

  1. Wir müssen das, was wir denken, auch sagen.
    Dies kann als Einstieg als erfüllt angenommen werden, wenn man annimmt, dass Scholz, Habeck und Lindner Überzeugungstäter sind. Wer an dieser Annahme zweifelt, dem kann ich nur die Aussage von EX-EU-Kommissionspräsidenten Juncker ans Herz legen „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Trotzdem sagen wir hier: in dubio pro reo. Also Argument erfüllt!
  2. Wir müssen das, was wir sagen, auch tun.
    Nach meinem Booklet Monetäre Demenz und der beschriebenen Erkenntnisse muss klar konstatiert werden: Nein, die Politik tut in diesem Punkt nicht, was sie sagt, und dies leider viel zu oft. Also dieses Vertrauensargument ist nicht erfüllt!
  3. Wir müssen das, was wir tun, auch sein.
    Leider hängt dieser Punkt eng mit dem Punkt 2 zusammen. Wer schon nicht das tut was er sagt, kann in der Konsequenz auch nicht das sein, was er tut. Und dies ist auch das Dilemma eines in der Öffentlichkeit stehenden Politikers, der zu oft nach Umfragewerten und Wiederwahlchancen schielt und nicht danach, das Richtige zu tun. Auch dieses Vertrauensargument ist nicht erfüllt!

Zum Schluss ist auch hier der Realitätscheck angebracht: Was ist das Richtige, bei einem Volk aus Social-Media-Postern, Querdenkern, Vollkaskoversicherten, Besserwissern, Bundestrainern und Umverteilern? Kurz gesagt: Das Management von KENFO macht einen tollen Job mit eindrucksvollen Ergebnissen! Eigentlich eine Blaupause für die Idee der Aktienrente! Nur der Job passt nicht so ganz zu dem, was Scholz, Habeck & Co. so erzählen. Aber vielleicht ist KENFO deshalb so erfolgreich.

Edmund Pelikan