von Edmund Pelikan
Es ist eine der monumentalsten Ingenieurleistungen der Menschheitsgeschichte: der Panamakanal. Er verbindet den Atlantik mit dem Pazifik, verkürzt Schifffahrtsrouten dramatisch und wurde zum strategischen wie ökonomischen Dreh- und Angelpunkt globalen Handels. Doch seine Geschichte beginnt nicht mit technischen Triumphen, sondern mit einem der größten Finanzskandale des 19. Jahrhunderts, der die Ambitionen Europas im mittelamerikanischen Dschungel zerschlug – und später den Vereinigten Staaten die Bühne bereitete.
Der französische Traum und der große Betrug
Die ersten ernsthaften Bemühungen, einen Kanal durch die Landenge von Panama zu schlagen, stammen aus Frankreich. Inspiriert vom erfolgreichen Bau des Suezkanals, startete der berühmte Ingenieur Ferdinand de Lesseps 1881 das Projekt in Panama – im Glauben, ein ähnliches Wunder erneut vollbringen zu können. Doch die tropischen Bedingungen in Mittelamerika unterschätzte er dramatisch. Malaria, Gelbfieber, und das steile, regenreiche Terrain trieben die Bauarbeiten in ein Fiasko. Hinzu kamen die finsteren Machenschaften der „Compagnie Universelle du Canal Interocéanique de Panama“, unter deren Dach Lesseps das Projekt leitete.
Rund 800.000 Franzosen investierten in die Kanalgesellschaft. Sie verloren ihr Geld. Es wird geschätzt, dass über 1,2 Milliarden Francs – ein Betrag von enormem Gegenwert – in dunklen Kanälen verschwanden. Als der Skandal 1889 aufflog, war es nicht nur das Ende des Projekts, sondern auch das Ende der Illusion vom französischen Griff nach der Welthandelsmacht. Der sogenannte „Panamaskandal“ wurde zum größten Finanzbetrug Europas des 19. Jahrhunderts und ließ das Vertrauen in öffentliche Projekte tief erschüttert zurück. Über 100 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung wurden beschuldigt, Bestechungsgelder angenommen zu haben. Ferdinand de Lesseps und sein Sohn wurden 1893 verurteilt, doch ihre Strafen nie vollstreckt.
Die USA übernehmen – mit Kalkül und Kanonenbooten
Mit dem Scheitern Frankreichs witterten die Vereinigten Staaten ihre Chance. Strategisch motiviert – nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg 1898 strebte Washington eine schnellere maritime Verbindung zwischen Atlantik- und Pazifikflotte an – begannen die USA, das Projekt zu verfolgen. Doch es gab ein Problem: Panama war zu jener Zeit ein Teil Kolumbiens. Als Kolumbien sich 1903 weigerte, einen Kanalvertrag zu unterzeichnen, unterstützten die Vereinigten Staaten kurzerhand eine „Unabhängigkeitsbewegung“ in Panama. Innerhalb weniger Tage erklärte sich die Region zum souveränen Staat, unter dem schützenden Blick amerikanischer Kriegsschiffe.
Wenig später schlossen die USA mit der frisch gebackenen Republik Panama den „Hay-Bunau-Varilla-Vertrag“. Für eine einmalige Zahlung von 10 Millionen US-Dollar sowie eine jährliche Rente von 250.000 Dollar erhielten die Vereinigten Staaten die Kontrolle über die sogenannte „Panamakanalzone“ – ein 16 Kilometer breiter Streifen quer durch das Land. Die politische Erpressung war offensichtlich, doch für Washington war es ein geopolitischer Coup.
Gigantisches Projekt – gigantische Kosten
Der eigentliche Bau begann 1904 unter der Leitung des US Army Corps of Engineers. Mit modernisierten Maschinen, einer besseren Organisation und – entscheidend – der medizinischen Bekämpfung von Gelbfieber und Malaria durch Dr. William C. Gorgas, kamen die Arbeiten zügig voran. Der Kanal wurde als Schleusenkanal konzipiert, um das extreme Höhenprofil Panamas zu bewältigen.
Nach zehn Jahren harter Arbeit – mit über 75.000 Beschäftigten, darunter viele Westindische Arbeiter – wurde der Panamakanal am 15. August 1914 offiziell eröffnet. Die Baukosten beliefen sich auf rund 375 Millionen US-Dollar, was heute – inflationsbereinigt – etwa 10 Milliarden Dollar entspräche. Über 25.000 Menschen verloren beim französischen und amerikanischen Bau ihr Leben, viele von ihnen anonym, begraben im tropischen Schlamm.
Der Puls des Welthandels
Heute ist der Panamakanal ein hochmoderner, digital überwachter Verkehrsknotenpunkt. Im Jahr 2023 passierten über 14.000 Schiffe die Wasserstraße. Die Kapazitätsgrenze wurde zwar mehrfach angehoben – zuletzt durch den Bau neuer Schleusen im Rahmen des „Canal Expansion Project“ 2016 –, doch der Kanal bleibt ein Engpass für den Welthandel. Besonders große Containerschiffe, sogenannte „Neopanamax“, bestimmen heute das Bild.
Die Einnahmen sind enorm: 2023 generierte der Kanal rund 4,3 Milliarden US-Dollar aus Transitgebühren. Diese variieren stark – je nach Schiffstyp, Ladung, Größe und Priorisierung. Ein vollbeladenes Containerschiff zahlt durchschnittlich zwischen 250.000 und 450.000 US-Dollar für eine Durchfahrt. Im Rekordfall wurden sogar über 1 Million Dollar für einen einzigen Transit fällig – ein symbolischer Beleg für die Bedeutung dieser Abkürzung in der Weltlogistik.
Souveränität zurück – für wie lange?
Am 31. Dezember 1999, nach Jahrzehnten der diplomatischen Bemühungen, übergaben die Vereinigten Staaten den Panamakanal vollständig an die Republik Panama. Grundlage war der „Torrijos-Carter-Vertrag“ von 1977, in dem der allmähliche Rückzug der Amerikaner geregelt wurde. Seitdem wird der Kanal von der „Autoridad del Canal de Panamá“ (ACP) verwaltet – einem eigenständigen, profitabel wirtschaftenden Staatsunternehmen Panamas.
Doch nicht jeder ist mit dieser Ordnung zufrieden.
Trumps Schatten über Panama
Im Februar 2025 – während einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat Texas – sorgte Donald J. Trump für einen politischen Paukenschlag. In einer gewohnt polarisierenden Rede erklärte er, „die Rückgabe des Panamakanals an Panama sei ein historischer Fehler gewesen“. Es sei „ein geopolitischer Albtraum“, dass „China über Reedereien und Investitionen immer mehr Kontrolle über die Region“ gewinne.
Was folgte, war mehr als nur ein rhetorisches Manöver: Trump legte ein Memorandum vor, das auf einer bislang kaum beachteten Klausel aus dem Hay-Bunau-Varilla-Vertrag von 1903 fußt. Diese Klausel gewährte den Vereinigten Staaten das Recht, „den Kanal im Falle internationaler Bedrohung dauerhaft zu schützen und nötigenfalls wieder unter eigene Kontrolle zu stellen“.
Juristisch fragwürdig – politisch brisant.
Internationale Beobachter bewerten Trumps Initiative als völkerrechtswidrig. Die Verträge von 1977 und die daraufhin eingeleiteten UNO-Anerkennungen der vollständigen panamaischen Souveränität stehen im klaren Widerspruch zu Trumps Interpretation. Dennoch sorgt seine Behauptung, die USA könnten den Kanal „legal zurückfordern“, für Unruhe. In konservativen Kreisen der USA findet die Idee durchaus Zustimmung. In Panama hingegen löste die Ankündigung empörte Proteste aus, begleitet von diplomatischen Protestnoten in Washington.
Zwischen Vergangenheit und Zukunft
Der Panamakanal bleibt ein Symbol. Für koloniale Hybris, für technischen Fortschritt, für wirtschaftliche Dominanz – und für politische Spannungen. Von den sumpfigen Anfängen in französischer Hand über den amerikanischen Griff zur Weltmacht bis hin zur modernen Selbstverwaltung durch Panama: Der Kanal war nie nur ein Wasserweg. Er ist ein Spiegel der geopolitischen Machtverhältnisse.
Die Frage, wem er gehört, ist längst nicht nur juristisch. Es ist eine Frage globaler Ordnung. Und wer glaubt, sie sei mit der Jahrtausendwende beantwortet worden, muss sich nur die jüngsten Worte Donald Trumps anhören.