von Edmund Pelikan
Goethes Sicht auf Geld und Vermögen ist vielschichtig und ambivalent – er erkennt den praktischen Nutzen von Geld, kritisiert aber zugleich seine zerstörerische Macht, wenn es zum Selbstzweck wird. In vielen seiner Werke, insbesondere im „Faust“, aber auch in Briefen und Gesprächen, spiegelt sich ein tiefes Nachdenken über Reichtum, Besitz, wirtschaftliche Ordnung und die moralischen Implikationen des Geldes. Aber was sind die zentralen Aspekte von Goethes Haltung zum Thema Geld und Vermögen?
Geld als Machtmittel – aber gefährlich
Im „Faust II“ wird das Thema Geld auf besonders deutliche Weise behandelt. Goethe greift hier die Idee des Papiergeldes auf – ein hochaktuelles Thema seiner Zeit – und zeigt dessen zerstörerisches Potenzial. Mephisto bringt den Kaiser dazu, Papiergeld auf der Basis von ungehobenem Gold auszugeben – ein frühes Beispiel für eine ungedeckte Währung.
„Ein solcher Schein ist gleich dem echten Gelde; Man braucht nur Glauben, um es auszugeben.“
(Zitat aus Faust II, Akt I)
Goethe zeigt hier: Geld funktioniert nicht durch materiellen Wert, sondern durch Vertrauen. Doch gerade dieses Prinzip macht es anfällig für Missbrauch und Täuschung. In seiner Darstellung ist Geld weniger ein neutrales Tauschmittel, sondern ein Werkzeug der Macht, das Menschen korrumpieren kann – besonders in den Händen von Mephisto.
Arbeit als Grundlage des Wohlstands
Goethe stellt dem spekulativen Reichtum eine klassische, fast bürgerliche Vorstellung von ehrlicher Arbeit und produktiver Tätigkeit gegenüber. In Briefen und Tagebuchnotizen betont er immer wieder die Bedeutung von Fleiß, Disziplin und Nützlichkeit – Tugenden, die er auch im wirtschaftlichen Kontext schätzt.
„Was man besitzt, ohne es zu verstehen, besitzt man nicht.“
(Zitat aus Maximen und Reflexionen)
Goethe vertritt eine Haltung, nach der Besitz allein nicht genügt – er muss mit Verstand, Verantwortung und Bildung einhergehen. Reichtum ohne geistigen Gehalt oder Verantwortung ist für ihn wertlos oder gar gefährlich.
Kritik an Habgier und materialistischer Gesinnung
In vielen Texten, z. B. im „Faust“ und auch in den „Wahlverwandtschaften“, zeigt sich Goethe kritisch gegenüber rein materialistischen Weltanschauungen. Er sieht Habgier als Ausdruck geistiger Armut und moralischer Verirrung.
„Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen.“
(Zitat aus Faust I)
Dieses berühmte Zitat verweist auf die Idee, dass echter Besitz nur durch persönliche Anstrengung legitim wird – alles andere ist hohl. Damit kritisiert Goethe auch Formen des ererbten Reichtums, die keinen Bezug zur eigenen Leistung haben.
Geld als Teil einer höheren Ordnung
In seiner Spätphase, besonders im „Faust II“, sieht Goethe auch die wirtschaftliche Ordnung als Teil eines größeren, organischen Zusammenhangs. Geld und Besitz können sinnvoll sein, wenn sie in den Dienst von Gestaltung und Entwicklung gestellt werden. Der alte Faust etwa versucht, Land urbar zu machen – ein symbolischer Akt der Kultivierung, der mit Besitz verbunden ist, aber auf Schöpfung und Zukunft zielt.
„Im Anfang war die Tat.“
(Zitat aus Faust II, letzter Akt)
Damit wird ein aktiver, schöpferischer Umgang mit Ressourcen geadelt – nicht der Besitz selbst, sondern das, was man damit bewirkt.
Mein Fazit
Goethes Haltung zum Thema Geld und Vermögen ist kritisch, aber nicht ablehnend. Er erkennt die Notwendigkeit wirtschaftlicher Ordnung und materiellen Besitzes an, warnt aber eindringlich vor Gier, Spekulation und moralischem Verfall durch den Umgang mit Geld. Für ihn sind Verantwortung, Bildung, Maß und schöpferische Tätigkeit die entscheidenden Gegengewichte zur zerstörerischen Kraft des Geldes.