Deutscher Wohn-Investmentmarkt bleibt auf Konsolidierungskurs

Die Zurückhaltung von Investoren am Wohn-Investmentmarkt im ersten Halbjahr 2023 setzt sich auch im dritten Quartal 2023 fort. Das Transaktionsvolumen auf den deutschen Wohn-Investmentmärkten bleibt damit nach den ersten neun Monaten deutlich hinter den Vorjahren zurück. Bundesweit wurden im bisherigen Jahresverlauf 3,92 Mrd. € in größere Wohnungsbestände (ab 30 Wohneinheiten) investiert. Damit wurde das Vorjahresergebnis um 62 % und der langjährige Durchschnitt um 68 % unterschritten. Ein sich abzeichnender Rückgang der Inflation und deutliche Signale hin zu einem Ende des Zinserhöhungszyklus dürften für eine spürbar höhere Marktdynamik im kommenden Jahr sorgen. Dies ergibt eine Analyse von BNP Paribas Real Estate.

„Nach Ende des dritten Quartals 2023 belief sich das Investitionsvolumen auf nur rund 3,92 Mrd. €. Damit wurden die schwächsten ersten neun Monate seit 2010 registriert. Auch im dritten Quartal konnte somit keine signifikante Belebung am deutschen Wohn-Investmentmarkt festgestellt werden. Weiterhin bestimmen regulatorische Unsicherheiten sowie die Verfügbarkeit und Kosten von Fremd- und Eigenkapital das Marktgeschehen. Dies hat zu einer starken Zurückhaltung und abwartenden Haltung der Investoren sowie zur Zurückstellung bzw. Stornierung von Projekten beigetragen. Damit hält die Preisfindungs- und Konsolidierungsphase an den Wohnungsmärkten weiter an. Auch am Wohn-Investmentmarkt fehlt es in diesem Jahr bislang noch an großvolumigen Transaktionen mit Leuchtturmcharakter als Signal für eine klare Marktbelebung, obwohl sich zunehmend neue Player mit einem Markteintritt beschäftigen. Die bereits größtenteils vollzogenen Bewertungskorrekturen und damit wieder deutlich attraktivere Renditen im Wohnbereich, eine starke Mietpreisdynamik und das Ende im Zinserhöhungszyklus dürften den Nährboden für einen deutlich lebhafteren Wohn-Investmentmarkt im kommenden Jahr bereiten“, fasst Christoph Meszelinsky, Geschäftsführer und Head of Residential Investment der BNP Paribas Real Estate GmbH, die weiteren Aussichten zusammen.

Markt weiter kleinteilig, überdurchschnittlicher Anteil des mittelgroßen Segments (50-100 Mio. €)

Nach den ersten neun Monaten konnte mit 23 % ein weit überdurchschnittlicher Umsatzanteil (Ø 10 Jahre: 16 %) durch mittelgroße Deals (50-100 Mio. €) verzeichnet werden. Dieses Segment steuerte immerhin rund 886 Mio. € zum Umsatz bei. Grund für das dennoch niedrige Gesamtvolumen sind die sehr geringen Investitionsaktivitäten im großvolumigen Bereich. Das Segment über 100 Mio. € kommt zwar auf einen relativ hohen Umsatzanteil von 42 %, absolut betrachtet ist das kumulierte Volumen von 1,66 Mrd. € (sechs registrierte Großtransaktionen in 2023, davon zwei in Q3) im langjährigen Vergleich dennoch sehr gering (Ø 10 Jahre: 7,49 Mrd. €). Das durchschnittliche Investmentvolumen je Deal bewegt sich auf einem ähnlichen Niveau wie im ersten Halbjahr und betrug nur rund 36 Mio. €. Somit ist der Markt nach wie vor wesentlich kleinteiliger als in den vergangenen Jahren.    

Moderne Bestandsobjekte tragen überdurchschnittlichen Anteil bei

Bestandsportfolios mit großem Volumen gehören für gewöhnlich zu den Umsatztreibern (10-Jahresdurchschnitt: 54 %), konnten jedoch in den vergangenen neun Monaten gerade einmal einen Anteil von 18 % verbuchen. Ein Grund dafür dürfte die Zurückhaltung von institutionellen Investoren am Markt sein. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2023 stieg der Anteil von modernen Bestandsobjekten jüngst auf einen überdurchschnittlichen Anteil von 16 % (Ø 10 Jahre: 3 %). Vergleichsweise rege fiel das Transaktionsgeschehen bei älteren Bestandsobjekten aus, die rund 36 % zum bisher registrierten Gesamtvolumen beigetragen haben (Ø 10 Jahre: 16 %). Nicht zuletzt um Risiken im Portfolio zu reduzieren und aus Mangel an neuen Produkten sind Investoren aktuell in diesem Segment besonders aktiv.


Deutsches Kapital dominiert, US-amerikanisches Kapital relativ stark

Die Rückkehr von US-amerikanischem Kapital sendet ein positives Zeichen für neue attraktive Opportunitäten auf den deutschen Wohn-Investmentmärkten. US-amerikanisches Kapital kommt mit rund 23 % auf einen weit überdurchschnittlichen Anteil (Ø 10 Jahre: 5 %). Hingegen waren Käufer aus dem europäischen Ausland mit einem Anteil von knapp 5 % deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt vertreten. Deutsches Kapital dominiert mit knapp 70 % klar den deutschen Wohn-Investmentmarkt (Ø 10 Jahre: 75 %). Die Käufergruppe der Investment Manager steuerte mit knapp 30 % (Ø 10 Jahre: 12 %) mit Abstand am stärksten zum Umsatz bei. Dahinter folgen Family Offices mit einem überdurchschnittlichen Umsatzanteil von 15 % (Ø 10 Jahre: 3 %). Die solide Ausstattung mit Eigenkapital dürfte die erhöhte Nachfrage dieser Käufergruppe erklären. Ganz im Gegensatz zu diesen beiden Käufergruppen steht bei Immobilien AGs/REITs das Thema Re-Finanzierung im Vordergrund. Diese für gewöhnlich das Investmentgeschehen dominierende Käufergruppe konnte in den ersten neun Monaten keine einzige Transaktion für sich verbuchen und war in diesem Jahr bereits verstärkt auf der Verkäuferseite aktiv. Auf Rang 3 rangieren die Spezialfonds (11 %), die sich aber im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt (Ø 10 Jahre: 20 %) auch in Kaufzurückhaltung üben.

Berlin und München steuern über die Hälfte zum Umsatz bei

Insbesondere das solide Investmentumfeld der A-Städte suchten Investoren in den ersten neun Monaten auf. Auf diese Top-7-Städte entfiel ein Anteil von 61 % (Ø 10 Jahre: 45 %). Berlin dominiert klar den Markt und steuert mit 1,29 Mrd. € knapp ein Drittel (33 %) zum Gesamtumsatz bei. Einen wesentlichen Anteil von deutlich über 300 Mio. € entfällt dabei auf den Verkauf des Quartiers „Wasserstadt Mitte“ in der Berliner Europacity. Die Bundeshauptstadt erreicht somit einen Anteil, der rund 11 Prozentpunkte höher als im Vorjahr bzw. 8 Prozentpunkte über dem langjährigen Durchschnitt liegt. Neben Berlin kann vor allem München mit einem weit überdurchschnittlichen Umsatzanteil von 18 % (Ø 10 Jahre: 4 %) überzeugen. Mit rund 691 Mio. € wurden in den ersten drei Quartalen in München das zweithöchste Volumen (nach 2021) der letzten zehn Jahre registriert. Weiterhin kommen Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf jeweils nur auf Umsatzanteile im einstelligen Prozentbereich, was jedoch nicht ungewöhnlich ist.

Leichter Anstieg der Netto-Spitzenrenditen gegenüber Q2 2023

Auch im dritten Quartal hat sich die Fremdkapitalfinanzierung wieder leicht verteuert. Entsprechend haben die Netto-Spitzenrenditen für Neubauobjekte im dritten Quartal moderat angezogen. Der Anstieg gegenüber dem Vorquartal bewegte sich im Bereich zwischen 10 und 15 Basispunkten. Nach wie vor ist München der teuerste Standort (3,45 %). Dahinter rangieren Berlin und Frankfurt bei 3,50 % sowie Hamburg und Stuttgart bei 3,55 %. Für Düsseldorf und Köln, die beiden günstigsten A-Standorte, werden aktuell 3,65 % angesetzt.

Perspektiven

„Auch nach den ersten neun Monaten hat der deutsche Wohn-Investmentmarkt noch nicht seinen Weg aus der Preisfindungs- und Konsolidierungsphase herausgefunden. Der großvolumige Quantum-Deal in Berlin kann jedoch ein erster Signalgeber für die sich wieder annähernde Käufer- und Verkäuferseite sein. Aufgrund der zur erwartenden rückläufigen Inflation, die sich jüngst in den weniger stark gestiegenen Verbraucherpreisen der Eurozone widerspiegelt, und eines zunehmend ins Stottern geratenen Konjunkturmotors dürfte die Zeit starker und schneller Zinserhöhungen vorbei sein. Damit dürften die Fremdkapitalkosten in den kommenden Monaten stagnieren bzw. maximal noch leicht ansteigen. Die nach wie vor gesunden Fundamentaldaten auf der Nachfrageseite gepaart mit einem, auch im Verhältnis zu anderen Assetklassen, wieder verbesserten Chance-/Risikoverhältnis sowie das teilweise bereits antizipierte und auch künftig zu erwartende signifikante Mietpreiswachstum sollten wieder für neues Kapital in den deutschen Wohn-Investmentmärkten sorgen. Es ist dennoch unwahrscheinlich, dass die letzten drei Monate im Jahr 2023 noch zu einem Quartalsumsatz in der Größenordnung der letzten Jahre führen werden. In Erwartung eines Finanzierungsumfelds mit höherer Planungssicherheit und einer konjunkturellen Erholung dürften in der ersten Jahreshälfte 2024 die Umsätze zunächst leicht zulegen, bevor es in der zweiten Jahreshälfte zu einer deutlichen Belebung am deutschen Wohn-Investmentmarkt kommt“, fasst Christoph Meszelinsky die weiteren Aussichten zusammen.

Quelle: BNP Paribas