Zinsen, Rendite, Krypto: Vor allem Frauen und ältere Menschen haben teilweise Nachholbedarf in puncto Finanzwissen. Mit einem Thema kennt man sich in Deutschland hingegen gut aus, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Beim Finanzwissen in Deutschland gibt es Luft nach oben. Das trifft vor allem auf Menschen ohne höheren Schulabschluss, Meisterprüfung oder Studium, Frauen und Ältere zu. Das zeigt eine Studie zur finanziellen Bildung von Erwachsenen in Deutschland, von der nun erste Ergebnisse vorliegen – nämlich zum Thema Finanzwissen. Die BaFin hatte diese Studie im vergangenen Herbst in Deutschland koordiniert. Sie hatte dabei die Vorgaben des Internationalen Netzwerks zur Finanziellen Bildung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for European Economic Cooperation and Development – OECD) übernommen (siehe Infokasten).
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mussten dazu insgesamt zehn Fragen beantworten: einfache Rechenaufgaben, Einzelfragen zu den Themen Zinsen, Inflation und zur Risikoeinschätzung von Finanzprodukten sowie der Digitalisierung. Zusätzlich sollten die Teilnehmenden selbst ihre Finanzkompetenz einschätzen. Nun liegen die Ergebnisse vor.
OECD/INFE-Studie zur finanziellen Bildung von Erwachsenen in Deutschland 2022
Die Studie zur finanziellen Bildung ist Teil einer Befragung, die das Internationale Netzwerk zur Finanziellen Bildung (International Network on Financial Education – INFE) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for European Economic Co-operation and Development – OECD) entwickelt und koordiniert hat. Ziel ist es, eine international vergleichbare Datenbasis zur finanziellen Bildung und finanziellen Inklusion zu schaffen.
Bislang gab es vier Befragungen. Die BaFin koordiniert seit 2019 die Datenerhebung für Deutschland. Die jüngste repräsentative Erhebung fand im September und Oktober 2022 statt. Dabei führte ein Marktforschungsinstitut 1.000 computergestützte Telefoninterviews mit Erwachsenen zwischen 18 und 79 Jahren. Die BaFin wertet diese Daten auch selbst aus und nutzt die Erkenntnisse, um ihr Mandat im kollektiven Verbraucherschutz auszuüben.
Die umfangreiche Befragung umfasste neben dem Finanzwissen weitere Themen, beispielsweise die Einstellungen der Befragten zu Geld und Finanzen, ihre Probleme mit Finanzprodukten oder -dienstleistungen oder ihr Vertrauen in das Finanzsystem. Die vollständigen Ergebnisse der internationalen Studie werden im Laufe des Jahres 2023 veröffentlicht.
Die Ergebnisse auf einen Blick
- 21 Prozent der Erwachsenen sind bei allen Finanzfragen sattelfest: 21 Prozent der Befragten kennen die richtigen Antworten auf alle zehn Finanzwissensfragen. Sie haben damit ein umfangreiches Basiswissen. Im Durchschnitt beantworten die Teilnehmenden acht Fragen korrekt. 31 Prozent bewältigen weniger als acht Fragen erfolgreich.
- Frauen und Ältere schneiden im Durchschnitt etwas schlechter ab: Die interviewten Frauen beantworten durchschnittlich 7,6 Fragen richtig, also etwas weniger als die Männer (8,4). Die befragten Seniorinnen und Senioren im Alter von 60 bis 79 Jahren schaffen im Durchschnitt 7,6 richtige Antworten und damit weniger als die jüngeren Altersgruppen. Die lieferten durchschnittlich 8,2 richtige Ergebnisse.
- Bildungsabschluss und Finanzkompetenz stehen in Beziehung zueinander: Menschen, die höchstens einen mittleren Schulabschluss oder eine berufliche Grundbildung (Lehre) abgeschlossen haben, haben durchschnittlich weniger Finanzwissen als Menschen mit Abitur, mit einer Meisterprüfung oder mit Hochschulabschluss. Befragte der erstgenannten Gruppe beantworten im Durchschnitt 7,1 Fragen korrekt. Die Vergleichsgruppe liegt bei 8,5 richtigen Antworten im Schnitt
Probleme bei der Zinsrechnung – viel Wissen zur Inflation
Unabhängig von Geschlecht und Alter bereitet die Zinsrechnung den meisten Befragten Probleme. Die Frauen schnitten allerdings noch etwas schlechter ab als die Männer. So lösen 24 Prozent der Teilnehmerinnen eine Rechenaufgabe zum einfachen Zins am Beispiel eines festverzinslichen, gebührenfreien Sparkontos falsch oder wissen die Antwort nach eigenen Angaben nicht. Bei den Männern haben zwölf Prozent Probleme bei dieser Aufgabe.
Die Folgefrage, bei der es um das Verständnis des Zinseszinseffekts geht, beantworten 34 Prozent der interviewten Frauen falsch oder mit „weiß nicht“, während 18 Prozent der Männer falsch liegen oder die Antwort nicht wissen. Insgesamt 42 Prozent der befragten Frauen liegen bei einer oder beiden vorgenannten Aufgaben nicht richtig – im Vergleich zu 24 Prozent der Männer.
Bei einem Thema verfügen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie über gutes Know-how. So ist die Folge hoher Inflation – unter anderem ein rascher Anstieg der Lebenshaltungskosten – 91 Prozent aller Befragten bekannt: 93 Prozent der interviewten Männer und 88 Prozent der Frauen verstehen unter einer Inflation, dass man sich von einem festen Geldbetrag nach Ablauf eines Jahres weniger kaufen kann als zuvor.
Frauen: Wissenslücken bei Geldanlage
Das insgesamt schlechtere Ergebnis der Frauen resultiert insbesondere aus fehlendem Wissen bei der Geldanlage. Wie die Antworten auf die Frage nach der Zinsberechnung verdeutlichen, haben mehr Frauen als Männer Schwierigkeiten, Sparprodukte zu verstehen. Insgesamt zeigt sich auch beim Vergleich der Geschlechter die Beziehung zwischen Bildungsabschluss und Finanzkompetenz. Frauen mit höchstens mittlerem Schulabschluss oder beruflicher Grundbildung (Lehre) beantworten allerdings im Durchschnitt eine Frage weniger richtig als ihre männliche Vergleichsgruppe. Bei höher gebildeten Frauen ist die Differenz geringer: Sie beantworten durchschnittlich eine halbe Frage weniger korrekt als die männlichen Interviewten.
Bei mehr Frauen als Männern hapert es an Basiswissen zu den Grundregeln der Geldanlage. 20 Prozent der Teilnehmerinnen, aber elf Prozent der Männer, ordnen die Aussage, dass höhere Erträge üblicherweise mit höherem Risiko einhergehen, irrtümlich als falsch ein oder antworten mit „weiß nicht“. Ebenfalls 20 Prozent der befragten Frauen halten die Aussage, dass sich das Anlagerisiko am Aktienmarkt normalerweise verringern lasse, indem man eine Vielzahl verschiedener Aktien kaufe, für falsch oder wissen die Antwort nicht. Insgesamt beurteilen 33 Prozent der Frauen eine oder beide der vorgenannten Aussagen falsch oder mit „weiß nicht“. Bei den Männern sind es 19 Prozent.
Was es mit der noch relativ neuen Anlageklasse „Kryptowerte“ auf sich hat, ist Frauen noch weniger bekannt als Männern. Dass Kryptowährungen beispielsweise anders als Banknoten oder Münzen kein gesetzliches Zahlungsmittel sind, wissen 57 Prozent der teilnehmenden Frauen, aber immerhin 75 Prozent der Männer.
Frauen verlassen sich häufiger bei der Altersvorsorge auf ihren Partner
Wie gehen Männer und Frauen nach eigener Angabe mit dem wichtigen Thema Altersvorsorge (siehe Infokasten) um? Die Antwort legt nahe, dass ein Zusammenhang zwischen dem abstrakten Geldanlagewissen und der bisherigen oder geplanten Altersvorsorge besteht. Denn in der Befragung sagen 32 Prozent der Frauen, aber nur 21 Prozent der Männer, dass sie sich bei ihren Altersvorsorgeplänen neben anderen Bausteinen auch auf die Unterstützung des Partners oder der Partnerin verlassen.
30 Prozent der Frauen, aber 40 Prozent der Männer investieren für ihre Altersvorsorge auch in Kapitalanlagen wie Aktien, Anleihen oder Investmentfonds – oder haben dies vor. Grafik 2 zeigt, dass beide Geschlechter nur bei Produkten wie Kapitallebensversicherungen und Riesterrente mit jeweils 63 Prozent gleichauf liegen. Dies gilt sowohl für bereits getätigte als auch für geplante Investments.
Ältere punkten mit Rendite-Risiko-Wissen
Ein gemischtes Bild ergibt sich beim Vergleich der Älteren mit der großen Gruppe der 18- bis 59-Jährigen. Deutlich wird, dass die befragten Menschen über 60 Jahre sich in der digitalen Finanzwelt schlechter auskennen. So wissen beispielsweise nur 34 Prozent der Älteren, aber 49 Prozent der Vergleichsgruppe, dass ein rechtswirksamer Abschluss von Finanzverträgen digital möglich und keine zusätzliche Unterschrift auf Papier erforderlich ist. 86 Prozent der Älteren verstehen, dass persönliche Daten, die sie ins Internet stellen, für personalisierte Werbung verwendet werden können. Bei den 18- bis unter 60-Jährigen sind dies 92 Prozent. Dass Kryptowährungen keine gesetzlichen Zahlungsmittel sind, ist 58 Prozent der Älteren, aber 69 Prozent der Vergleichsgruppe bekannt.
Wissensstark im Vergleich zu den 18- bis unter 60-Jährigen sind die Älteren dagegen beim Zusammenhang von Risiko und Rendite. 91 Prozent der Älteren, aber nur 82 Prozent der jüngeren Befragten begreifen, dass höhere Erträge üblicherweise mit höherem Risiko einhergehen.
Wissen ist der beste Schutz
Insgesamt zeigt die Studie Verbesserungspotential. Das ist offenbar auch den Befragten bewusst: Je weniger Fragen die Interviewten richtig beantworten, desto lückenhafter schätzen sie ihr Finanzwissen ein. Männer schätzen sich dabei im Durchschnitt etwas besser ein als Frauen.
Aus Sicht der BaFin ist Wissen der beste Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Ziel der BaFin ist es, dass Verbraucherinnen und Verbraucher am Finanzmarkt selbstbestimmt handeln und eigenverantwortlich Entscheidungen auf Grundlage zutreffender und relevanter Informationen treffen können. In ihrer Verbraucherschutzstrategie hat die BaFin daher einen Schwerpunkt auf die Stärkung der Finanzkompetenz der Verbraucherinnen und Verbraucher gelegt. Außerdem unterstützt die BaFin die Initiative zur Finanziellen Bildung der Bundesregierung.
Warnungen für Verbraucherinnen und Verbraucher und viele Informationen zu Geldanlage und Wertpapieren, Versicherungen und Altersvorsorge sind auf der Webseite der BaFin zu finden Twitter, LinkedIn und Mastodon informieren darüber, was die BaFin aktuell beschäftigt. Die BaFin-Verbraucherschutz-Podcasts sind auf der Website der BaFin und auf Spotify, Deezer, Apple Podcasts und Google Podcasts verfügbar.
Quelle: BaFin