Viele europäische Volkswirtschaften sind im vierten Quartal mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine Rezession gerutscht. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte leicht geschrumpft sein und auch für Anfang 2023 wird ein weiterer Rückgang prognostiziert. Der Konjunkturausblick ist jedoch nicht nur negativ. Die Inflation scheint ihren Höhepunkt gegen Ende des Jahres erreicht zu haben, da die Rohstoff-, Transport- und Energiepreise nach ihren Höchstständen Anfang des Jahres wieder nachgaben. Die Inflationsrisiken sind nun weitestgehend ausgewogen, und die Inflation dürfte im Laufe des Jahres 2023 sinken. Die Zinsentwicklung schwächte sich ab, als sich Konjunktur und Teuerungsrate verlangsamten. Die Arbeitsmärkte haben sich ebenfalls bemerkenswert gut gehalten: Die Arbeitslosenquoten liegen weiterhin auf dem Niveau der Tiefstände der letzten Jahrzehnte, gleichzeitig steigen die Löhne – wenn auch nicht so schnell wie die Inflation. Die Arbeitsmarktindikatoren haben sich zwar abgeschwächt, aber die erwartete Verschlechterung hält sich in Grenzen.
Hela Hinrichs, Senior Director EMEA Research & Strategy, sagt: „Obwohl das Wachstum in vielen Volkswirtschaften rückläufig ist, wird die Rezession voraussichtlich kurz und mild ausfallen. Es gibt bereits Licht am Ende des rezessiven Tunnels, da für die meisten großen europäischen Volkswirtschaften eine Rückkehr zum Wachstum im zweiten Quartal 2023 prognostiziert wird, was auf einen kurzlebigen Abschwung hindeutet.“
Spitzenmieten steigen im Gesamtjahr 2022 so deutlich wie seit 2008 nicht mehr
Die europäischen Bürospitzenmieten übertreffen weiterhin die Erwartungen. Der JLL European Office Rental Index stieg im Quartalsvergleich um 2,6 Prozent, das ist der höchste vierteljährlichen Anstieg seit dem zweiten Quartal 2010. Das jährliche Wachstum der Büromieten erreichte im Jahr 2022 7,2 Prozent und damit den stärksten Zuwachs seit 2008. Das beträchtliche Mietwachstum ist ein Beweis für die Widerstandsfähigkeit erstklassiger, gut gelegener Büroflächen mit hohem Ausstattungsstandard und starker Ökobilanz.
Die meisten europäischen Büromärkte befinden sich weiterhin in den Wachstumsquadranten der Büro-Immobilienuhr. Mietsteigerungen gegenüber dem Vorquartal wurden in zehn von 23 Indexmärkten beobachtet, darunter Düsseldorf (26,7 Prozent), Hamburg (6,3 Prozent), London (4,0 Prozent), Frankfurt (3,4 Prozent), Mailand (2,2 Prozent) und Paris (2,2 Prozent). Dublin verzeichnete einen Rückgang (minus 3,0 Prozent), während die anderen europäischen Indexmärkte keine Veränderungen aufwiesen.
Die Bürospitzenmieten in Düsseldorf stiegen im vierten Quartal 2022 gegenüber dem Vorjahresquartal deutlich (26,7 Prozent), was auf große Anmietungen in Neubau- und Entwicklungsprojekten zurückzuführen ist. Diese Abschlüsse zu deutlich höheren Preisen ließen die Spitzenmieten auf ein neues Niveau steigen.
In Dublin sank das Mietwachstum im vierten Quartal 2022 um drei Prozent, bedingt durch eine schwächere Mieternachfrage, insbesondere im Technologiesektor. Da Ende 2022 eine beträchtliche Menge an Untermietflächen der Kategorie A auf den Markt drängen wird, könnten die Mieten 2023 weiter nachgeben.
„Das Wachstum der Spitzenbüromieten wird sich in Europa 2023 wahrscheinlich fortsetzen, wenn auch langsamer, wobei in einigen der zentralen Innenstadtbereichen gesunde einstellige Zuwächse zu erwarten sind. Dies repräsentiert jedoch nicht das gesamte Marktspektrum, da ältere Objekte, insbesondere Büros mit niedrigen Energieeffizienzstandards in nicht zentralen Teilmärkten, bereits einen Mietpreisrückgang verzeichnen“, analysiert Hela Hinrichs.
Technologiesektor mietet in Europas Metropolen deutlich weniger Fläche
Mit 2,4 Millionen m² lag der Flächenumsatz im vierten Quartal 2022 um 23 Prozent unter dem des vierten Quartals 2021. Ein Grund: Die europäischen Arbeitsmärkte zeigten im letzten Quartal des Jahres 2022 Anzeichen einer Abschwächung. Dennoch übertraf der Gesamtumsatz 2022 mit 10,2 Millionen m² den von 2021 um acht Prozent.
„Vor allem der Technologiesektor hat in den vergangenen Monaten in den meisten europäischen Städten einen bemerkenswerten Rückschlag verzeichnet, während Unternehmen des Finanzsektors und der Rechtsberatung europaweit sehr viel Bürofläche angemietet haben“, unterstreicht Hela Hinrichs.
Rotterdam (plus 60 Prozent), Mailand (plus 47 Prozent), Warschau (plus 20 Prozent), Prag (plus 9 Prozent) und Hamburg (plus 7 Prozent) registrierten beim Flächenumsatz im vierten Quartal Zuwächse gegenüber dem Vorjahr. Die höchsten Verluste gab es in Utrecht (minus 69 Prozent), Stockholm (minus 65 Prozent); Brüssel (minus 56 Prozent), Berlin (minus 55 Prozent) und Frankfurt/m (minus 46 Prozent) verzeichnet.
In Europas größtem Büromarkt, Paris, erreichte der Flächenumsatz im vierten Quartal 602.000 m² (minus elf Prozent im Jahresvergleich), womit sich das Gesamtvolumen für 2022 auf 2,1 Millionen m² beläuft, einem Jahreszuwachs von zehn Prozent. Haupttreiber der Nachfrage 2022 war die Suche nach Toplagen, wodurch sich der Unterschied zwischen den qualitativ stärksten und schwächsten Teilmärkten in Paris vergrößerte.
Auch im Zentrum Londons fiel der Flächenumsatz im Schlussquartal 2022 mit 195.000 m² (minus 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr) geringer aus als im Zehnjahresdurchschnitt. Der Gesamtjahresumsatz von knapp 900.000 m² lag jedoch 17 Prozent über dem des Jahres 2021.
In den fünf deutschen Immobilienhochburgen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München war der Büroflächenumsatz im letzten Quartal des Jahres rückläufig. Der Flächenumsatz in den Big-5-Städten lag mit 600.000 m² um rund 37 Prozent unter den 959.000 m² des entsprechenden Vorjahresquartals. Das Gesamtjahresvolumen von 2,9 Millionen m² rangierte dagegen zwei Prozent über dem Volumen von 2021. Der einzige Markt, der gegenüber dem Vorjahr Zuwächse verzeichnete, war Hamburg (7,0 Prozent). In Berlin (minus 55 Prozent), Frankfurt (minus 46 Prozent), Düsseldorf (minus 31 Prozent) und München (minus 28 Prozent) waren die Flächenumsätze im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahr rückläufig.
„Der makroökonomische Gegenwind zeigt erste Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung bei der Bürovermietung. Die Nachfrage der Unternehmen dürfte im ersten Halbjahr 2023 verhalten bleiben, wobei für die zweite Jahreshälfte 2023 eine Erholung erwartet wird“, prognostiziert Hela Hinrichs.
Dublin und Mailand weisen höchsten Leerstandszuwachs auf
Der europäische Büroleerstand stieg im vierten Quartal 2022 um 20 Basispunkte auf 7,4 Prozent und erreichte damit den höchsten Stand seit sechs Jahren. Die stark gestiegenen Baufertigstellungen, die begrenzte Expansion von Firmen und der geringere Flächenbedarf durch hybrides Arbeiten haben sich auf die Leerstände in ganz Europa ausgewirkt.
Zwölf der 23 Indexmärkte verzeichneten im vierten Quartal 2022 einen höheren Leerstand, darunter Dublin (um 130 Basispunkte auf 13,3 Prozent), Mailand (um 110 Basispunkte auf 13,1 Prozent), Amsterdam (um 80 Basispunkte auf 5,9 Prozent) und Hamburg (um 70 Basispunkte auf 4,2 Prozent). Zehn Märkte verzeichneten einen Rückgang des verfügbaren Angebots, darunter Edinburgh (minus 60 Basispunkte auf 4,7 Prozent), Warschau (minus 50 Basispunkte auf 11,6 Prozent), Den Haag (minus 50 Basispunkte auf 2,7 Prozent), Düsseldorf (minus 30 Basispunkte auf 7,9 Prozent) und Brüssel (minus 30 Basispunkte auf 7,4 Prozent).
Die Fertigstellung von Büroflächen nimmt zu und erreicht mit 1,7 Millionen m² im vierten Quartal 2022 und 5,3 Millionen m² im Jahr 2022 das höchste Jahresvolumen seit 2009. Paris (770.000 m²), London (730.000 m²) und Berlin (716.000 m²) machen den Löwenanteil der 2022 fertiggestellten Büroflächen aus. „JLL geht davon aus, dass das Baufertigstellungsvolumen im Vergleich zum Zehnjahresdurchschnitt (vier Millionen m²) weiterhin hoch bleibt, mit erwarteten Fertigstellungen von mehr als sechs Millionen m² im Jahr 2023“, sagt Hela Hinrichs und schränkt zugleich ein: „Angesichts der stark gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten werden jedoch viele Bauträger ihre Entscheidungen über neue Büroprojekte, insbesondere spekulative Neubauprojekte, wahrscheinlich verschieben. Renovierungen werden wohl weiterhin einen bedeutenden Teil des Marktvolumens ausmachen.“
Quelle. JLL